Dead Sara
Songs, die wir einfach nicht aufhören können zu singen, sind für die Ewigkeit bestimmt. Sie sind der Soundtrack zu den wichtigsten Momenten des Lebens und begleiten uns durch gute und schlechte Zeiten.
Die Alternative-Rockband Dead Sara machte sich auf, für ihre EP Temporary Things Taking Up Space – zugleich ihr Debüt bei Atlantic Records – genau solche Songs zu...
Songs, die wir einfach nicht aufhören können zu singen, sind für die Ewigkeit bestimmt. Sie sind der Soundtrack zu den wichtigsten Momenten des Lebens und begleiten uns durch gute und schlechte Zeiten.
Die Alternative-Rockband Dead Sara machte sich auf, für ihre EP Temporary Things Taking Up Space – zugleich ihr Debüt bei Atlantic Records – genau solche Songs zu schreiben. Das Trio – Emily Armstrong (Gesang und Gitarre), Siouxsie Medley (Lead-Gitarre) und Sean Friday (Drums) – verdoppelte seinen Einsatz auf das schnoddrige und bluesige Draufgängertum, für das sie von ihren Fans so geliebt werden, während sie zugleich ihr Songschreiber-Handwerk mit messerscharfer Präzision schliffen und bei all dem ihren klanglichen Fokus noch weiter aufzogen.
„Du hörst dir einige der Songs an und denkst: ‚Oh mein Gott, ich will das noch mal hören’“, sagt Armstrong. „Nachdem wir zehn Jahre lang alles in Eigenregie erledigten, hatten wir eine Menge gelernt. Zugleich waren wir jedoch in unseren eigenen Weisen gefangen – den Weisen, wie wir die Dinge schon immer gemacht hatten. Doch warum sollte irgendetwas tabu sein? Ich realisierte, dass wir zu ängstlich gewesen waren, und dass ich mich in meiner eigenen Welt versteckte. Ich bin bereit, diese Welt zu öffnen. Als wir begannen, uns selbst Angst einzujagen, war dies die beste Entscheidung. Erstmals gab ich mich textlich auf eine Weise preis, wie ich es zuvor niemals getan hätte. Wir wurden insgesamt verwundbarer. Andererseits, ist das nicht genau der Punkt von Songwriting?“
„Wir nahmen uns die Zeit, herauszufinden was wir wollen und wie wir als Individuen wachsen können“, führt Medley aus. „Und genau das taten wir dann.“
In erster Linie jedoch markiert Temporary Things Taking Up Space schlicht einen logischen Schritt nach vorn. Seit der unabhängigen Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Albums 2012 haben Dead Sara still und heimlich in der ersten Reihe der Rock-Avantgarde des 21. Jahrhunderts Fuß gefasst, mit schwindelerregenden Vocals und wilden Riffings, die sich anfühlen wie ein herrlicher Doppel-Punch ins Gesicht. Entlang des Weges sammelte das Trio hochrangige Fans wie Grace Slick von Jefferson Airplane, der sie im The Wall Street Journal lobte, Matt Bellamy, der sie als Special Guest auf die Muse-Tour einlud, und Dave Grohl, der verkündete: „Dead Sara should be the next biggest rock band in the world.” 2015 veröffentlichten Dead Sara ihr zweites Album „Pleasure to Meet You“ und tourten seitdem unermüdlich, ob als Headliner, Special Guests oder Festival-Favoriten. Auch im amerikanischen Fernsehen war die Band bereits in einigen der begehrtesten Formate zu sehen, unter anderem „Jimmy Kimmel Live!“, „Late Night with Seth Meyers“ und während einer Episode von „The Vampire Diaries“.
Rückblickend betrachtet, fühlt es sich so an, als wäre all dies eine Vorbereitung für Temporary Things Taking Up Space gewesen. „Wir begannen, ein neues Kapitel zu öffnen“, kommentiert Friday. „Wir führten so viele unterschiedliche Sounds ein“.
„Junge, Junge, ich glaube, das hier war schon seit geraumer Zeit überfällig“, ruft die Frontfrau aus. „Wir hatten die Energie, wir hatten die Leidenschaft, und wir hatten die Liebe zur Musik. Uns fehlte nur diese eine Sache. Wir mussten uns verändern, um sie ausfindig zu machen.“
Nachdem die Band einer neuen Abenteuerlust Raum gab, nahm der Veränderungsprozess 2016 seinen Anfang. Anstatt jedoch mit losen Ideen ins Studio zu hechten und schnell ein Album zusammenzuschustern, ließen sie sich fast ein Jahr Zeit, um Songs zu schreiben und ihre neue Musik zu perfektionieren. Erstmals öffneten sich Dead Sara dabei für Kollaborationen mit externen Songwritern, darunter Simon Katz und Tommy English, zudem gewannen sie Tony Hoffer [Beck, M83, Air] als Produzent. Musikalisch erweiterten sie ihre Klangpalette selbstbewusst um Synthesizer und perkussive elektronische Elemente.
„Wir haben bei der Herangehensweise an diese EP über den Tellerrand geschaut“, merkt Medley an. „Der kreative Prozess hat sich definitiv von dem unterschieden, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Wir haben unterschiedlichste Wege beschritten und haben uns in keiner Weise eingeschränkt. Wir haben mehr Synthies und Programmierung, was Sean stark vorangetrieben hat.“
„Wir haben noch nie so viel Zeit mit dem Schreiben zugebracht“, fährt Armstrong fort. „Ich hörte auf, Arbeit anzunehmen. Ich stoppte alles. Ich entschied, dass es nur dann funktionieren kann, wenn ich mich dieser Sache komplett widme. Ich war geradezu besessen davon. Ich wollte einfach besser werden. Ich öffnete die Schleusen. Es schlägt die Brücke zu dem, was für Dead Sara als Nächstes ansteht.“
„Wir beratschlagten uns einen Monat lang über die Songs und wie wir das Beste aus ihnen herausholen konnten“, fügt Friday hinzu. „Zusätzlich zu den Synthies haben wir viel mit DI-Gitarren herumprobiert, um den Sound wirklich grobkörnig zu machen. Er ist tighter. Nach all dem Herumprobieren haben wir uns dann ins Studio begeben.“
Das Trio leitet dieses nächste Kapitel mit der 2018er-Single „Anybody“ ein. Treibende Gitarren winden sich um einen stadiontauglichen Beat, unterstrichen durch himmlische, von Friday programmierte Synthies, die auf den tosenden Refrain zusteuern: „Come on and touch me. Do I belong to anybody?”.
„Ich hatte gerade mit dem Ende einer Beziehung zu kämpfen“, erinnert sich Armstrong. „Die Welt schien zu implodieren. Donald Trump war soeben auf der Bildfläche erschienen. Es war, als würde sich alles verschieben. Ich fühlte mich nirgends zugehörig. Es gab nichts, woran ich mich festhalten konnte oder dessen Teil ich sein konnte. Das Leben verdunkelte sich. Wir fingen in diesem Moment etwas wirklich Raues ein“. „Siouxsie fügte diese wirklich coolen Gitarrenparts hinzu“, ergänzt Friday. „Wir haben es organisch aufgebaut, wie den Großteil des Materials“.
An anderer Stelle auf der EP, in „Heaven’s Got A Back Door“, heult ein Arsenal aus Medleys Vintage-Gitarren wild über den stampfenden Shuffle, bevor sich alles zu einem Gesang von solcher Kraft steigert, dass er mühelos eine Kathedrale füllen könnte. Geleitet von der Frage „What would Keith Richards do?” (nach einigen Tequila-Shots), knöpft sich „UnAmerican“ derweil gängige Stereotypen vor, mit feinem Sarkasmus, cleveren verbalen Spitzen und der und eingängigen Refrainzeile „I guess I’m UnAmerican”.
Und dann ist da noch das leicht benebelte Sechs-Streicher-Echo von „What It Takes“, ein gewaltiger Song, in dem Armstrong eines ihrer bisher persönlichsten Statements macht. „’What It Takes’ ist im Grunde ein Coming-out“, gibt sie an. „Ich war zuvor nicht in der Lage, darüber zu sprechen. Ich habe dieses Leben gelebt, in dem ich das Gefühl hatte, dass ich sterben müsste, wenn ich etwas sage. Dabei starb ich bereits, indem ich nichts sagte. Mit diesem Song jagte ich mir erneut selbst Angst ein. Es geht um die Erkenntnis, dass es okay ist, einfach du selbst du sein, denn ganz ehrlich: es kümmert niemanden außer dich selbst.“
Am Ende steht für Dead Sara ein Werk, das ihrer Ambition, ihrem Tatendrang und ihrer mehr als zehnjährigen Plackerei gerecht wird. „Wir haben endlich die Musik, nach der wir gesucht haben“, schließt Armstrong. „Wir haben alles umgebaut, um dahin zu kommen. Es gibt eine Menge Wachstum. Und es ist wahnsinnig aufregend zu sehen, wie es nun zur Entfaltung kommt. Ich denke, mit diesen neuen Songs können wir ein komplett neues Level erreichen.“