Joshua Redman
„MoodSwing“, das 1994 erschienene Album von Joshua Redmans erstem, aber kurzbeständigen Quartett, enthielt bemerkenswerte Stücke von vier jungtalentierten Musikern, die sich schnell als führende Kreativkräfte etablierten. Nach Jahren, in denen sie jeweils eigene Triumphe verbuchen konnten, haben sich der Saxofonist Redman, Pianist Brad Mehldau, Bassist Christian McBride und Drummer Brian Blade. nun für das neue, gemeinsame Album „RoundAgain“ wieder zusammengeschlossen....
„MoodSwing“, das 1994 erschienene Album von Joshua Redmans erstem, aber kurzbeständigen Quartett, enthielt bemerkenswerte Stücke von vier jungtalentierten Musikern, die sich schnell als führende Kreativkräfte etablierten. Nach Jahren, in denen sie jeweils eigene Triumphe verbuchen konnten, haben sich der Saxofonist Redman, Pianist Brad Mehldau, Bassist Christian McBride und Drummer Brian Blade. nun für das neue, gemeinsame Album „RoundAgain“ wieder zusammengeschlossen.
In Redmans Erinnerung, war die Zeit nach seinem Sieg beim Internationalen Thelonious Monk Institute Saxofon-Wettbewerb 1991 von einem „Sammelsurium an Gigs“ gekennzeichnet, das schlussendlich zur Gründung seines ersten, festen Tour-Quartetts führte. McBride, der sich ebenfalls als dynamisches, junges Talent etablieren konnte, war bereits an einigen von Redmans frühen Aufnahmen und Live-Sets beteiligt gewesen. Blade traf Redman 1990 in New Orleans und kam für die erste Tour des Saxofonisten, aus dem bald ein Bandleader werden sollte, an Bord. Mehldau, der Redman 1992 mit seinem damaligen Live-Trio ein paar Konzertabende lang im Village Vanguard supportete, gesellte sich gerade noch rechtzeitig für den Auftritt des Quartetts beim Newport Jazz Festival 1993 zu den anderen. In den darauffolgenden anderthalb Jahren tourte das Joshua Redman Quartet breitflächig, nahm „MoodSwing“ auf und gab seinem immer neugierigen, immer Ausschau nach neuen Anknüpfungspunkten haltenden Leiter exakt wonach er suchte.
„Als jemand, der keine Ausbildung zum Profimusiker vorweisen konnte, hatte ich oft das Gefühl, hinter meinen Kollegen anzustehen“, erklärt Redman. „Aber ich wusste auch um mein Talent, den Moment anzapfen zu könne. Das nutzte ich als kreatives Sprungbrett nutze. Mir war zudem klar, dass ich besser werden konnte, wenn ich im Verbund mit großartigen Musikern spielte. Es ging mir nie darum, mit meinem augenscheinlich extrovertierten Instrument ‚über‘ einer Rhythmusgruppe zu spielen. Mir war immer wichtig, innerhalb der Band zu spielen. Und diese drei Typen waren gewillt, sich mit mir einer dialogorientierten Ästhetik zu nähern. Ich glaube, Brad hat diesen Ansatz kürzlich mit der Vokabel ‚Zurückhören‘ umschrieben. Als Rhythmusgruppe swingten Brad, Christian und Brian so heftig wie es nur ging, aber sie hatten gleichzeitig eine Elastizität, die auf tiefsinnigem Zuhören, momentbasierter Offenheit und empathischer Interaktivität fußte. Daraus entstand die perfekte Balance zwischen Geschlossenheit und Grooven und Flexibilität und im-Fluss-bleiben. Mehldau stimmt Redmans Gedanken zu: „Es entsteht ein unglaublich tiefer Swing mit Christian und Brian, der gleichzeitig federnd und kräftig ist. Wenn ich mit ihnen spiele, überkommt mich ein alles-ist-möglich-Gefühl.“
Redman galt seinen Kollegen als inspirierendes Beispiel. „Joshua trat als vollkommen gefestigter Bandleader an“, sagt Blade. „Er leitete uns als Beispielgeber an, sogar, wenn nichts gesagt wurde. Ich lernte von ihm, mich ständig einzubringen und immer zuzuhören, auf und außerhalb der Bühne.“ McBride stimmt Blades Erinnerung zu. „Joshua war der erste Bandleader, dem ich begegnete, der sich beim Zusammenstellen von Set-Lists richtig Mühe gab, um sicherzustellen, dass jedes Konzert im Fluss blieb. Er ist ein sehr fortschrittlicher Charakter in der Weise, wie er mit Konflikten umgeht. Während die älteren Bandleader Feuer löschen wollten, indem sie noch größere Feuer entfachten, löschte Joshua sie auf angenehm-konstruktive Weise.“ Mehldau betrachtet Redman „als starkes Beispiel für einen Bandleader. Er weiß genau, über welche individuelle Stärke jeder Musiker verfügt. Und er arrangiert die Musik dahingehend, dass diese Stärken Ausdruck finden. Er ist klar der Boss, aber nie diktatorisch. Er wartet förmlich darauf, dass ihm jeder von uns etwas gibt, womit er arbeiten kann. Ich habe vieles von seinem Bandleader-Wesen für mein eigenes Trio aufgegriffen.“
Niemand wusste besser als Redman, dass die von ihm geführte Zusammenkunft der vier Talente vergänglich war. „Ich erkannte beinahe sofort, dass diese Band nicht sehr lange zusammenbleiben würde“, sagt er. „Wir mochten zwar sehr gerne zusammenspielen, aber, nun ja, die drei waren einfach absolut großartig. Für unsere Generation zählten sie schon damals zweifellos zu den Versiertesten und Innovativsten an ihren jeweiligen Instrumenten. Jeder Einzelne war bereits überaus gefragt - alle wollten mit ihnen spielen! Darüber hinaus waren sie starke und charismatische, musikalische Persönlichkeiten. Sie schienen dazu bestimmt, bald ihren jeweils eigenen Visionen als Bandleader und Komponisten live und im Studio zu folgen. Ich wusste besser als jeder andere, wie unglaublich glücklich ich mich schätzen konnte, auch nur einen kurzen Zeitraum mit ihnen gehabt zu haben.“
Wie sich herausstellte, waren die vier Musiker nur anderthalb Jahre lang ein Quartett. In den zwischenliegenden Jahrzehnten, spielte jeder mit einem der anderen in unterschiedlichen Konstellationen, aber die Vier taten sich nicht mehr als Band zusammen. „Mir war allerdings klar, dass es irgendwann geschehen würde, ich wusste nur nicht genau wann“, räumt Redman ein. „Damals dachte ich, dass wir uns in fünf Jahren wieder zusammenfinden würden, was dir wie eine halbe Ewigkeit erscheint, wenn du 25 Jahre alt bist. Aber wir waren alle sehr beschäftigt. Jeder von uns brauchte Platz für sich - sowohl zeitlich wie auch hinsichtlich der individuellen, kreativen Entwicklung. In der letzten Dekade schließlich, brachte ich eine Reunion verbal zunehmend häufiger ins Spiel. Vielleicht nervte ich die anderen damit. Wie sich aber herausstellen sollte, hatten Brad, Christian und Brian Interesse daran. Es gab nur keinen Platz in unseren Terminkalendern. Bis jetzt. Um ehrlich zu sein, bedurfte es der Teamarbeit einer ganzen Menge unterschiedlicher Leute, um die Reunion tatsächlich auf die Beine stellen zu können.“
„Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte es vor zehn Jahren schon geklappt“, sagt Mehldau nachdrücklich. „Josh, Christian und Brian sind allesamt meine Helden. Es ist als würde man mit The Avengers spielen.“
„Diese Band ist wie ein Plattenteller, der sich weiterdreht nachdem die Nadel angehoben wurde. Wir mussten die Nadel lediglich wieder sinken lassen - und schon waren die Verständigungen und Stoffe wieder da, die wir uns 1994 erarbeitet hatten. Aber es hat alles an Tiefe gewonnen. Zum einen, wegen des Lebens selbst, aber auch, weil Joshua, Brad und Christian jeden Tag neue Tiefe erreichen.“
Als die Terminkalender der Vier einmal abgestimmt waren, wurde Redman klar, dass die neue Aufnahme anders angegangen werden musste als die erste, die ursprüngliche. „Es oblag damals mir, die meisten Entscheidungen zum Repertoire zu treffen, bevor wir ‚MoodSwing‘ aufnahmen“, erklärt er. „Aber diesmal entschieden wir, dass es sich wie eine heutige Zusammenkunft von uns Vieren anfühlen sollte. Es durfte keine bloße Wiederbelebung des Joshua Redman Quartet von 1994 sein. Klar, ich hatte über 20 Stücke parat, die perfekt gewesen wären für diese Band. Aber es war wichtig, dass es ein wirklich kollektives Unterfangen werden musste. Jeder sollte bandneues Material dazu beitragen. In Anbetracht der Grooves, Styles und Stimmungen, die uns vertraut sind, wusste ich, dass wir Vielfalt kreieren und gleichsam ein fokussiertes, bündiges Programm schaffen konnten. Wir mussten die Musik nur spielen und dabei herausfinden, welche spezielle Kombination an Songs für diesen Anlass die richtige sein würde.“
Redman wählte schlussendlich drei seiner eigenen Kompositionen aus. Die Eröffnungsnummer „Undertow“, eine grüblerische Nummer im Dritteltakt, greift Mehldau als Beispiel dafür auf, „wie großartig-beeindruckend Joshua seine Komponistenhandschrift seit seinen Anfangstagen als Musikschreiber erweitert hat.“ „Silly Little Love Songs“ fängt die Soul-Seite des Quartetts mit mehr harmonischen Kniffen als in üblichen Funk-Grooves ein. „Right Back Round Again“ zieht temporeich an und ermöglicht jenen Swing und jenes Maß an interaktivem, gegenseitigem Lauschen, das die vier Musiker schätzen.
Bezüglich seiner eigenen Kompositionen, erklärt Mehldau: „Das Stück ‚Moe Honk‘ war eine Möglichkeit, alle in ihren Soli brennen zu lassen, während wir wegen der kleinen 5/8-Microtime-Werte in den Takten auf Zack bleiben mussten. Diese Typen delektieren sich daran! Ich, der ich das Stück geschrieben hatte, konnte kaum mithalten. ‚Father‘ entsprang meinem Wunsch, einen swingenden Walzer im Programm zu haben, der Ähnlichkeiten zu Joshuas ‚Soul Dance‘ und zu andere Nummern, die wir spielten, aufweist.“ Das Stück ist eins von zweien, die zeigen, was Mehldau meint, wenn er vom „großen Sprung, den Joshuas Sopran-Sax-Spielen gemacht hat“ spricht.
Die andere Nummer, in der Redman sein Tenor- gegen das Sopran-Saxofon eintauscht, ist McBrides „Floppy Diss“. „Joshua hat uns wirklich auf wunderbare Weise in jede Entscheidung einbezogen“, erinnert sich der Bassist. „Nach unserer ersten Probe sagte er: ‚Uns fehlt etwas‘. Brian antwortete: ‚Und fehlt ein Blues‘. Und plötzlich sahen alle mich an. Ich ging heim und schrieb einen ungleichgewichtigen, verdrehten, schielenden Blues, dem ich ein wenig Zitronen- und Limettenaroma beifügte, während ich an den Blues dachte, den wir früher als Quartett spielten. Mein Arbeitstitel war ‚When Monk Met Jerry Lewis‘, weil wir alle Monk lieben. Die Melodie erinnerte mich an etwas, zu dem Lewis eine seiner Pantomime-Einlagen hätte aufführen können.“
Während „Floppy Diss“ als erstes Stück eingespielt wurde („Unser Soundcheck“, wie Redman amüsiert anmerkt), beendete Blades verstohlenes „Your Part To Play“ die Aufnahmen. „Ich wusste, dass Joshua mit genügend Material für ein ganzes Album aufwarten würde“, erinnert sich der Drummer. „Aber er fragte mich, ob ich eine Ballade beisteuern könnte, weil er dieses Feld nicht abgedeckt hatte. Ich bin keiner, der auf Abruf schreiben kann, aber ich wusste, dass ich etwas einbringen würde, das diese Band interpretieren konnte.“
Sämtliche sieben Stücke unterstreichen, wie magisch das Zusammenspiel der Vier geblieben ist. „Wir probten einen Nachmittag lang, spielten zwei Abend in The Falcon in Marlboro, New York, und gingen dann ins Studio“, berichtet Redman. „In dem Moment, in dem wir zu spielen begannen, war die Magie nach all den Jahren immer noch dieselbe.“
Seine Band-Kumpel stimmen ihm zu. „Die Jungs sind exponentiell gewachsen“, meint McBride. „Sie sind jetzt Riesenspieler. Heute mit ihnen im Verbund zu spielen, ließ mich ganz schön selbstkritisch werden. Wenn man so vertraut ist miteinander beim Kreieren, braucht es nur zwei Takte, um rekapitulieren zu können, was das Gefühl des Zusammenspiels ausmacht, denn dieses Gefühl vergeht nicht - selbst wenn man 20 Jahre lang nicht zusammen musiziert hat.“
Blade lacht und widerspricht, wenn man ihm sagt, dass man dieses Quartett als eine der ultimativen Super-Groups bezeichnen könnte. „Wir sind aber keine künstliche Wundertüte voller Namen, die jemand aus dem Hut gezaubert hat“, erklärt er. „Zwischen uns gibt es eine Chemie die nur von einer höheren Macht gelenkt werden kann.“