Es gab eine Zeit, da war die Weste dieser Beziehung strahlend "Weiß" – lange vorbei
Im Rückspiegel erscheint jeder Sonnenuntergang doppelt so stimmungsvoll, dreimal so pittoresk, viermal so farbenprächtig. All die Lasten und Komplikationen, die Strapazen und Schmerzen verschwimmen, schrumpfen oder entfallen gänzlich in der Erinnerung, während die unvergesslich schönen Momente für immer bleiben. Den Berliner Genre-Grenzgängern KENNY & KRABAT ist dieser Effekt bekannt. Das unleibliche Bruderpaar erwischt sich gelegentlich selbst beim unerquicklichen Romantisieren der Vergangenheit — insbesondere im Kontext verflossener Liebe. "Auf alten Bildern warst du frei, ich erkenn’ dich nicht mehr", heißt es in der einprägsamen Hook ihrer neuen Single "Weiß". Unten gibt es das Musikvideo zu sehen.
"Weiß" ist nicht das erste tragisch-reflektierte Beziehungsdrama in der bislang überschaubaren Diskografie von KENNY & KRABAT, im Gegenteil: alle bisherigen Veröffentlichungen bilden im Zusammenspiel eine beachtlich runde, wenn auch tragische Geschichte. "Ich bin da", die allererste Single des Rap-Duos, erschien im Herbst 2022 und glich einem blumig-lichterfüllten Sommertag. Im Zuge von "Winter" zog der Himmel metaphorisch zu, die Zweisamkeit bröckelte, bekam Risse. Im Februar diesen Jahres vertiefte "Das alles" den Heartbreak-Vibe nüchtern und versöhnlich. Nachdem KENNY & KRABAT mit "Meer" einen Cut unter dunkle Jahre machten, mutet "Weiß" nun beinahe wie eine Zeitreise an.
In eine Phase vor den großen Krisen, als sich die Zweisamkeit mit der jeweiligen Partnerin anfühlte wie ein buntes Farbenmeer, in der alles möglich schien und Westen strahlend weiß waren — zumindest in der trügerisch romantisierten Rückschau. Irgendwann stößt man in einem Moment gähnender Langeweile auf alte Fotos aus eben dieser Zeit — und beginnt, logisch, an allem zu zweifeln. KENNY & KRABAT halten im Zuge ihres neuen Releases fest: "Vielleicht wäre es besser, wenn man rückblickend nur das Negative sieht, weil einen die positiven Erinnerungen mit der Zeit auffressen". Warum dies nicht so einfach ist, beschreiben sie in "Weiß", dieser flächig-treibenden Ohrwurm-Ballade, in der das Zweigespann einmal mehr Rap und Gesang, Indie, Pop und Hip-Hop-Attitüde stilvoll miteinander verstrickt.