Nick Mono
Nick Mono ist es ehrlich gesagt ziemlich egal, welche Schublade man nun gerade für seinen Sound bemüht. Für den jungen Briten zählt einzig und allein, dass er seine eigenen Songs feiert und nicht genug von ihnen kriegen kann - was im Idealfall auch für diejenigen gelten sollte, die sie zu Ohren bekommen. Unabhängig von Genrezugehörigkeiten, sollen die Tracks ein sogkräftiges...
Nick Mono ist es ehrlich gesagt ziemlich egal, welche Schublade man nun gerade für seinen Sound bemüht. Für den jungen Briten zählt einzig und allein, dass er seine eigenen Songs feiert und nicht genug von ihnen kriegen kann - was im Idealfall auch für diejenigen gelten sollte, die sie zu Ohren bekommen. Unabhängig von Genrezugehörigkeiten, sollen die Tracks ein sogkräftiges Portal in Nick Monos Welt sein, in der Sounds und Visuals gleichermaßen wichtig sind. Unter anderem inspiriert von Tyler, the Creator, Brockhampton, King Krule und Childish Gambino, hat der 18-Jährige gerade erst die Schule beendet - und startet jetzt mit ziemlich großen Plänen und einer noch größeren ersten EP ins nächste Kapitel.
Aufgewachsen in West-London als Sohn indischer Einwanderer, war Nick schon als kleiner Junge komplett musikverrückt. Während im Elternhaus unter anderem Michael Jackson, Kanye West und die Foo Fighters liefen, leitete er seinen eigenen Geschmack schon bald aus einem anderen Kanal ab: "Was mich wirklich zur Musik gebracht hat, war der Disney Channel und die ganzen Künstlerinnen und Künstler, die aus diesem Dunstkreis kommen", erzählt er. "Ich war fünf und dachte, ich hätte da den coolsten Shit der Welt entdeckt! Na ja, und da hat meine Mutter mir gleich eine kleine Gitarre besorgt, weil sie einfach sah, wie sehr ich darauf abgegangen bin, wie viel Lust ich darauf hatte."
Kaum hatte er die Mini-Gitarre in den kleinen Händen, begann Nick damit, eigene Songideen zu entwickeln - natürlich immer schön nah an irgendwelche Vorlagen angelehnt: "Ich kann mich noch daran erinnern: Das waren die klischeehaftesten Liebeslieder, die es gibt", gesteht er dann. "Ich war halt fünf oder sechs, und ehrlich gesagt konnte ich mit all diesen Themen ja noch gar nichts anfangen. Seltsam daran war, dass es sich trotzdem so anfühlte, als ob das auch meine Themen wären: Ich hörte all diese Songs über Liebe und Trennungsschmerz, und obwohl es ja immerhin Teenies waren, die da ihre Gefühle zum Ausdruck brachten, dachte ich nur: Das sagt mir zwar nicht wirklich was - aber cool ist es trotzdem! Irgendwie war da trotzdem diese Art von Identifikation. Ich schätze mal, ich war ein ziemlich emotionales Kind… und ich hab echt gemeint, das alles begreifen zu können."
Jedenfalls beruft sich Nick auf diese frühen Einflüsse und betrachtet sie als Grundlage für das Selbstbewusstsein, das er heute als Songwriter an den Tag legt. Dieses Fundament sei letztlich deshalb so massiv, weil er schon damals einfach alles über seine frühen Helden wissen musste: wie sie drauf sind, wie sie ihre Songs schreiben, was sie sonst so machen… "Ich hörte zum Beispiel einen Song von den Jonas Brothers und dann musste ich sofort das Album dazu haben. Schon beim Bestellvorgang ließ mich die Tracklist nicht mehr los. 'Wer hat das produziert?' - solche Fragen habe ich mir dann tatsächlich gestellt. Auch wenn mir gar nicht ganz klar war, was das alles eigentlich bedeutete, habe ich mich wirklich dafür interessiert, wer die Produzenten eines Albums sind und welche Songwriter daran beteiligt waren."
Später dann fiel ihm noch eine Sache auf: Im Programm der britischen und US-amerikanischen Sender, die er verfolgte, waren so gut wie nie Künstlerinnen und Künstler aus dem Süden Asiens zu sehen. Die Musik kam nie von dort, wo seine Vorfahren lebten. Entmutigt habe ihn das trotzdem nicht: "Dafür haben mich meine Eltern viel zu sehr unterstützt. Sie haben meine Kreativität nonstop gefördert, wollten, dass ich so viel Musik mache, wie ich Lust hatte. Ich habe das also nicht als Limitierung gesehen."
Tatsächlich nahm seine Leidenschaft immer mehr Raum ein: Nach einer kurzen Pop-Punk- und einer ähnlich flüchtigen Emo-Phase, verbrachte er ab der 7. Klasse immer mehr Zeit mit Spotify, YouTube & Co., wo er schließlich auch den Hip-Hop für sich entdeckte - allerdings nicht unbedingt den klassischen: "Dadurch kam ich dann auch aufs Produzieren", holt er aus. "Ich hörte ab da so Sachen wie Brockhampton, Tyler, the Creator oder auch Frank Ocean - die allesamt wohl bis heute zu meinen wichtigsten Inspirationsquellen zählen. Als ich sie damals entdeckt hab, war das der coolste Shit auf der ganzen Welt für mich."
Wieder schaute er sich sofort etwas ab: Nick erkannte, dass viele seiner Lieblingskünstler ihre eigenen Tracks auch selbst produzierten - und so begann er damit, eigene Beats zu bauen, zunächst mit GarageBand, dann mit Logic, wo er schließlich alles zusammenbrachte: die eigenen Songideen, die er auf der Gitarre entwickelte, kombiniert mit den Beats aus dem Rechner…
Allerdings waren diese Soloaufnahmen nicht das einzige Projekt für Nick: Mal überredete er seine Freunde dazu, eine Boyband zu formieren, dann wiederum stand er für Theaterstücke auf der Bühne oder schrieb Drehbücher zu kleinen Filmen, die er mit dem Telefon drehte. "Ich war so fixiert auf diese Bands und diese Filme, dass ich das einfach nachmachen und meine eigene Version davon kreieren musste."
Kein Wunder, dass er seine Musik nicht als abgeschlossenes Feld betrachtet: "Sobald ein Song fertig ist, denke ich darüber nach, wie das Video dazu wohl aussehen könnte, oder was für eine Filmszene dazu passen würde", so Nick. "Es geht wohl immer darum, eine komplette Welt zu erschaffen. Als Künstler will ich genau das tun, und da spielen Musikvideos und Kurzfilme eben auch eine zentrale Rolle. Ich will nicht bloß ein Album erschaffen, sondern eine ganze Welt."
Ein sehr viel größeres Publikum erreichte Nick während der Oberstufenzeit - mit dem Song "Effy Stonem". Benannt nach einer weiblichen Hauptfigur aus der UK-Serie "Skins", kam ihm die Idee dazu morgens um drei nach einer ausgiebigen Binge-Session. "Der Vibe und die ganze Ästhetik, die zu ihrer Rolle gehört, ist heute ein riesiges Ding bei TikTok und in den sozialen Netzwerken: Effy ist diejenige, die alle wollen - oder die alle sein wollen."
Genau genommen wollten wenig später alle seinen Song - als Soundtrack für eigene TikTok-Clips. Selbst Bella Poarch oder die "Skins"-Schauspielerin April Pearson waren sofort dabei. Als Nick dann auch noch über Instagram seinen heutigen Manager kennenlernte, dauerte es nicht mehr lange bis zur Unterzeichnung des Plattendeals mit Parlophone Records. "Das war zwar jetzt nicht gerade der allergrößte Viralhit, aber für mich kam damit alles ins Rollen."
Überhaupt sei er nicht an viraler Kurzlebigkeit interessiert, sondern an echten künstlerischen Statements - wie seiner ersten EP The Sun Won't Stay After Summer. Während "Effy Stonem" eh nicht so ganz bezeichnend für seinen Sound sei, bringt die EP Nick Monos Ansatz und seine Vision im Verlauf von sechs Tracks (vier davon komplett im Alleingang produziert) sehr viel besser auf den Punkt. Kurz vor und während des Lockdowns entstanden, schimmern hier so unterschiedliche Einflüsse wie Blur, King Krule und Jamie T durch, die er mit seinem bereits erwähnten Hang zum (Alt-)Hip-Hop zusammenbringt. Was zwischen schummrigen Gitarren und dezent nebulösen Produktionen immer wieder durchbricht: sein Gespür für extrem eingängige Melodien.
Auch wenn der EP-Titel etwas Herbstliches hat, klingen Stücke wie "Rusty", "The Way To My Heart" und "All That You Do" nach sorglosen Sommernachmittagen mit dem Freundeskreis im Park (und allenfalls einem Wölkchen Melancholie obendrüber). Mit "IDK About You" überführt er das ursprünglich eher gefällige Empowerment-Original in die Ära selbstironischer Social-Media-Memes, und "Anywhere In The World" handelt davon, wie größere Einschnitte im eigenen Leben (etwa: ein Plattenvertrag) und ganz allgemein Zukunftsängste unsere zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflussen…
Dass mit ihm auch endlich mal wieder ein Engländer mit indischen Wurzeln in die vorderste Reihe tritt, sei ein toller Nebeneffekt: "Dass so ein Kid mit britisch-indischen Wurzeln im Popgeschehen mitmischt, das ist auch irgendwie wichtig - obwohl das natürlich eigentlich längst egal sein sollte. Trotzdem möchte ich den einen oder anderen Punkt in meiner Karriere erreichen, wo ich vielleicht andere inspirieren kann."
Vor allem kann er es nach endlosen Zoom-Meetings und viel digitalem Austausch kaum noch abwarten, endlich auch physisch und live loszulegen: "Ich habe kein Problem damit, wie das alles abgelaufen ist, aber jetzt will ich endlich mal die Leute persönlich treffen und auf Tour gehen. Das wird richtig spannend! Und dadurch wird sich das alles auch etwas weniger surreal anfühlen."