Amy Allen
Als Songwriter kann man zwei Geschichten erzählen: die eigene oder die eines anderen.
Für Amy Allen kam der Wendepunkt, als sie einen durchschlagend erfolgreichen #1-Hit performte. Sie hatte den Song für einen großen Popstar geschrieben und spielte ihn nun bei einem Grammy-Event erstmals selbst. Als Allen von der Bühne ging, hing ihr ein Gedanke nach: "Wieso habe ich damit aufgehört?...
Als Songwriter kann man zwei Geschichten erzählen: die eigene oder die eines anderen.
Für Amy Allen kam der Wendepunkt, als sie einen durchschlagend erfolgreichen #1-Hit performte. Sie hatte den Song für einen großen Popstar geschrieben und spielte ihn nun bei einem Grammy-Event erstmals selbst. Als Allen von der Bühne ging, hing ihr ein Gedanke nach: "Wieso habe ich damit aufgehört? Es ist all das, was ich jemals wollte."
Nach einem kometenhaften Aufstieg von einer herumkrebsenden Musikerin zu einer der gefragtesten Songwriterinnen der Branche traf Amy Allen die mutige Entscheidung, von ihrem überragenden Erfolg als Hitschreiberin für andere zurückzutreten und auf ihren ursprünglichen Pfad als Künstlerin zurückzukehren. Das Resultat ist eine Sammlung von Songs für ihr Debüt-Soloalbum.
"Ich begann mit dem Musikmachen, als ich acht war", erinnert sie sich. Im Alter von zehn Jahren schrieb Amy bereits Songs. Mehr als ein Jahrzehnt lang schrieb sie nur für sich selbst, schliff an ihren Fähigkeiten als Fünf-Instrumente-Spielerin, wurde eine Songwriterin, eine Producerin, eine Spielerin und Performerin. Sie schrieb sich am Berklee College of Music ein, bekannt für illustre Absolventen wie John Mayer und Quincy Jones. Nach dem Studienabschluss ließ sie sich in New York nieder und gründete die Band Amy & The Engine.
Doch Amys Leben nahm eine Abbiegung, als sie Scott Harris kennenlernte, ein Songwriter und Producer für Shawn Mendes, Dermot Kennedy und Taylor Swift. Er öffnete ihr die Augen für die Welt des Pop-Songwritings für große Künstler. Begeistert von ihrem Talent, wurde Scott ihr Mentor. Er hatte noch nie zuvor einen anderen Songwriter vertreten, doch Amy inspirierte ihn zu der Gründung eines Verlages, sodass sie sein erstes Signing werden konnte.
Nachdem sie 2018 "Back To You" für Selena Gomez geschrieben hatte, entschloss sich Allen, die Band auf Eis zu legen nach Los Angeles zu ziehen - die große Liga für Songwriter. Sie wusste, dass sie eine noch bessere Songwriterin werden konnte und dafür mehr Erfahrung brauchte. "Mein Songwriting entwickelte sich auf eine gute und zugleich beängstigende Weise", sagt sie. Mit jedem neuen Genre und Künstler wuchs Amy exponentiell, was sich an ihrem rasend schnellen kommerziellen Erfolg ablesen ließ. Seitdem hat die in Maine geborene Amy einen märchenhaften Lauf gehabt, bei dem sie mit einigen der erfolgreichsten Namen in der Musik zusammenarbeitete, darunter Halsey, Camilla Cabello, Shawn Mendes und Sam Smith. Zuletzt feierte sie mit "Adore You" Erfolge, das sie gemeinsam mit Harry Styles schrieb, zudem nahm Forbes sie in seine "30 Under 30"-Liste 2020 auf.
Nun in einem Haus in Santa Monica lebend, strahlt Allen eine neue Energie aus. Statt sich auf ihren jüngsten Erfolgen auszuruhen, gibt sie der Performerin in ihr, die sie schon immer zu sein träumte, eine Stimme und Freiraum. Ihr Debütalbum ist das Ergebnis einer Phase der Festigung, in der sie ihre Weltklasse-Fähigkeiten aus der Arbeit in der Popmusik nahm und sie in Jahre der Erfahrung als Singer-Songwriterin und Live-Perfomerin einfließen ließ. Es war ein Prozess, in dem sie erneut viel dazulernen musste und den Teil in sich zum Schweigen bringen musste, der nicht mit einem Refrain zufrieden war, bis sie ihn im Top-40-Radio hört. "Ich will etwas machen, das sich für mich authentisch anfühlt", sagt sie. Allens Songs sind gelebte Geschichten, die Erinnerungen an die amerikanischen Sänger vor ihr wachrufen - Helden wie Tom Petty oder Sheryl Crow, Carole King oder John Prine, Bruce Springsteen oder Freddie Mercury.
Als Songwriterin ihrer Generation blickt Amy aus der Vogelperspektive auf das Leben einer jungen Frau im Amerika des Jahres 2020. "Ich war wesentlich freier darin, genau zu sagen, wie ich mich fühle", sagt sie. "Ich kann die Straße nennen, in der ich aufgewachsen bin und Details verwenden, die mich emotional antreiben. Pigmente, die dem Song eine Färbung geben, die unverwechselbar mir entspricht." Nach ihrem herausragenden Erfolg im Songwriting begab sie sich zurück an den Zeichentisch und hatte nun viel mehr Werkzeuge zur Auswahl. "Ich hatte das Gefühl, nun endlich eine Stimme zu haben und die Songs zu schreiben, die ich schon mein ganzes Leben schreiben wollte", sagt sie. "Es gab Dinge, die ich erleben und durchmachen musste, um dieses Album zu schreiben. Vorher hatte ich diese Blickwinkel schlicht nicht."
Über den Verlauf des Albums offenbart sich Amy in kleinen Details und beschäftigt sich mit großen Fragen. Die erste Veröffentlichung, eine zeitlose Ballade mit dem Titel "Queen Of Silver Linings", leitet als eindringliche Unterhaltung das Album ein. Der Song dreht sich um das Festhalten an einer nahezu sicher zum Scheitern verurteilten Liebe - indem man unermüdlich das Gute in schlechten Situationen sieht. Allen erklärt: "Ich bin als eine von drei Schwestern in einer kleinen Stadt aufgewachsen und wir kommen alle nach unserer Mutter. Wir wollen die Dinge richten und geradebiegen und an der Liebe festhalten, wenn wir glauben, sie gefunden zu haben." Auf ihrer zweiten Single "Difficult" vollzieht Amy dann jedoch eine unerwartete Wendung. "I wish I could love you, I'm difficult", gesteht sie in einem Refrain, der an die junge Liz Phair erinnert.
Über den Verlauf des Albums hadert Allen mit den Auswirkungen ihrer Unabhängigkeit und in "Tastes Like Love" singt sie davon, wie sie sich Hals über Kopf verliebt, obwohl sie fürchtet, auf die falsche Fährte gelenkt zu werden. "Ein Thema, das in diesem Album stark mitschwingt, ist mein Versuch, das Feld abzustecken, einerseits eine unabhängige Frau zu sein und andererseits trotzdem dazu in der Lage, eine Beziehung zu haben", berichtet sie. "Das ständige Ausbalancieren von Karriere und meinem eigenen Weg auf der einen und der Liebe zu einer anderen Person auf der anderen Seite."
In "Scared Of Love" singt sie anfangs: "Dozen roses on the kitchen counter stresses me out", im besonders weitsichtigen und hervorstechenden Track "What A Time To Be Alive" erkundet sie die Welt, in der wir leben, und fragt sich: "Would you wanna be growing tall when the giants fall like raindrops from the sky?"
Beim Erarbeiten ihres Debütalbums suchte sich Amy Kreativpartner jenseits ihres Hitmaker-Universums, um ein wirklich authentisches künstlerisches Statement abliefern zu können. Dan Wilson (Adele, Semisonic, Dixie Chicks), Ethan Gruska (Phoebe Bridgers, Fiona Apple), Ian Fitchuk und Daniel Tashian (Kacey Musgraves), Rapper Jon Bellion und der in London lebende, etablierte Songwriter Eg White taten sich allesamt hervor. Es waren Menschen, die verstanden, mit welcher musikalischen Textur Allen aufwuchs. Außerdem arbeitete sie mit Kid Harpoon und Tyler Johnson (Harry Styles). "Jeder Song war eine Reise für sich", erinnert sie sich.
Nun, da sie ihr wahrhaftig eigenes Werk erschaffen hat, brennt Amy darauf, zurück auf die Bühne zu gehen. "Ich habe das mein Leben lang getan", sagt sie, an ihre Jahre als Jugendliche zurückdenkend, die in jedem nur möglichen Café und Kneipe auftrat. "Ich bin sowas von bereit, dahin zurückzugehen. Als Songwriterin bist du hinter einer Glaswand und dabei blühe ich durch menschliche Verbindung so sehr auf!"
Sie wird emotional, wenn sie an das erste Mal zurückdenkt, als sie "Brass In Pocket" von The Pretenders hörte. "Ich erinnere mich daran, dass ich bei mir dachte: ‚Ich will in jemandem das auslösen, was dieser Song in mir auslöst'. Ich will einfach Songs schreiben, die zu meinem Gegenüber durchdringen, eine Verbindung herstellen und mich Feuer und Flamme sein lassen". Mit ihrem kommenden Album erreicht Amy Allen genau das: "Nun habe ich wieder mein eigenes Ventil."