Duran Duran

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Von Dan Cairns, London, UK.


Wie viele Bands fallen einem ein, die nach einer jahrelangen, großartigen Karriere immer noch in der Lage sind zu überraschen, frische Wege zu beschreiten und immer noch neue Musik zu schaffen, die locker mit den unvergänglichen Hits mithalten können, die der Band zu Ruhm, Reichtum und exzellenten Kritiken verhalfen? Das ist auf jeden Fall eine...

Von Dan Cairns, London, UK.


Wie viele Bands fallen einem ein, die nach einer jahrelangen, großartigen Karriere immer noch in der Lage sind zu überraschen, frische Wege zu beschreiten und immer noch neue Musik zu schaffen, die locker mit den unvergänglichen Hits mithalten können, die der Band zu Ruhm, Reichtum und exzellenten Kritiken verhalfen? Das ist auf jeden Fall eine interessante Frage, die aber kurz beantwortet werden kann: Man kann solche Bands an den Fingern einer Hand abzählen!

Im Jahr 2015 zementieren DURAN DURAN ihre Zugehörigkeit zu dieser illustren Gruppe von Bands mit einem neuen Studioalbum – ihr 14., nicht mehr und nicht weniger – das die Bedeutung von DURAN DURAN in der Geschichte des Pop aufpolieren wird, und das die zahllosen jungen Nachfolger, die von ihnen beeinflusst wurden, auf ihre Plätze verweisen wird.

Mit einem neuen Signing bei Warner Bros. beginnt Paper Gods ein neues Kapitel in der Geschichte der Band. Mit dabei ist eine A-Liste von Kollaborateuren, darunter Nile Rodgers, Mark Ronson, Mr. Hudson, Janelle Monáe, John Frusciante, Kiesza und Davide Rossi. „Wir haben eine ganz neue Ebene der Inspiration auf diesem Album gefunden”, so der Keyboarder und ästhetische Overlord Nick Rhodes. „Wir haben uns neulich über Künstler unterhalten, die schon lange aktiv sind – einige unserer Zeitgenossen, aber auch ältere. Aber es gibt nur noch eine Handvoll von ihnen, die immer noch auftreten. Und dann haben wir uns gefragt: ‘Welche von ihnen haben noch Alben auf einem hohen Level gemacht?’ Und das war eine schwierige Frage.”

Simon Le Bon hat eine Theorie darüber, warum alle in der Band noch Freunde sind und immer noch vitale und ansprechende Musik machen, satte 37 Jahre, nachdem sich DURAN DURAN damals in Birmingham gegründet hatten. „Ich denke, dass manche Künstler, wenn sie eine ausgiebige Karriere genießen, sich verhalten, als würden sie einen Berg erklimmen – sie beginnen herabzublicken. Wenn du das in der Musik tust, bist du schnell erledigt. Man kann es hören, wenn jemand etwas zu viel da über nachdenkt, oder wenn er versucht, etwas zu schreiben, was den Leuten gefällt, anstatt darauf zu achten, dass es ihn selbst mitreißt. Wir haben immer Musik gemacht, die uns selbst begeistert hat, und wir haben nie versucht, sie dem Geschmack irgendwelcher Leute anzupassen.“ Auch die Bandpolitik spielt dabei eine Rolle, sagt Le Bon: „Ich glaube, ein wichtiger Teil unserer Stärke ist die Spannung in unserer Musik, die möglicherweise aus der Spannung in der Band herrührt. Wenn du jung bist, hast du keine Angst davor, jemanden zu ärgern, und im Prinzip tun wir das immer noch. Aber raue Worte sind vergeben und vergessen. Letztlich wissen wir alle, dass jeder von uns für die anderen kämpfen wird, ganz egal in welcher Situation. Wir halten zusammen. Nick und ich bekämpfen uns oft mit Zähnen und Klauen, manchmal über einen Text, manchmal über einen musikalischen Part. Jeder würde in einem solchen Moment denken, dass wir uns bis auf die Knochen hassen, aber in Wirklichkeit lieben wir uns.“

„Wir haben gemeinsam eine Menge durchgemacht“, so fügt John Taylor hinzu. „Aber inzwischen geht es mehr darum: ‚Erkenne dich selbst“. Und an diesem Punkt unserer Karriere ist es vor allem wichtig, seine Identität zu wahren, und seine Stärke aus dem Bewusstsein zu ziehen, dass sich alle zusammen auf dieser unglaublichen Reise befinden, einer Reise, die immer noch weitergeht. Ich denke, man hört dies den neuen Songs an. Wir lernen immer noch viele Dinge voneinander und übereinander, persönlich aber auch musikalisch.“

Als besonders befriedigend empfindet es John dabei, dass das neue Album die Dualität der Dinge und das Gespür für Konflikte im Herzen der Musik trägt. „Im ursprünglichen Plan der Band gab es diese dunkle, leicht progressive Seite, die in diesem ‚poptastischen‘ Aspekt manchmal etwas zu kurz kam. Im Bedürfnis nach größtmöglicher Befriedigung des Pop-Gefühls vergisst man leicht, was man einmal im Kopf hatte. Das neue Album wendet sich wieder dem ungewöhnlichen Mix der frühen DURAN zu: dem hartkantigen Pop, der mit seiner dunklen, durchgeknallten und experimentellen Seite koexistiert.“

„Das ist etwas, was für uns absolut existenziell war“, bestätigt Nick. „Es ist großartig, die Seelen der Leute – und deine eigene – mit einem starken Schuss reinen Pops anzufeuern, aber die Welt, in der wir leben, ist eben nicht nur aus gutem Stoff gemacht. Es kommt mir deshalb nur natürlich vor – und das tat es von Anfang an -, dass wir einen Fuß in der dunkleren, eher Gothic-mäßigen Seite des Lebens hatten und immer noch haben.“

Die frühen Sessions für Paper Gods fanden schon 2013 statt, als Produzent Mark Ronson und Tonmeister Josh Blair im Studio in Südlondon erneut zur Band stießen, wie sie es bereits 2011 für All You Need Is Now getan hatten, das von Ronson produziert wurde. Als Ronson die Sessions für ein Jahr verließ, um sein eigenes Album aufzunehmen, nahm Josh die Zügel in die Hand, übernahm das gesamte Engineering und produzierte neun Songs mit der Band (sechs mit der Band und drei mit der Band und Mr. Hudson). Zur Zusammenarbeit mit Josh Blair sagt Nick: „Er war unser absoluter Anker während dieses Projekts, er half, den Sound des Albums zu schmieden und herrschte über jedes Detail. Er war von Anfang an dabei und das gab uns das Gefühl von Kontinuität zum vorhergehenden Album.“

Im April 2013, als das Rückgrat des Albums stand, taten sich DURAN DURAN dann mit Kanye West/Jay Z-Kollaborateur Ben „Mr.“ Hudson zusammen und die Sessions gewannen noch einmal an Feuer. „Auf Wendy Laisters Rat hin war Ben unser Manager“, erinnert sich Roger Taylor. „Wir sind manchmal nicht ganz einfach, wenn wir mit anderen zusammenarbeiten, wir tendieren immer dazu zu glauben, wir können alles allein machen. Aber dann erfuhren wir, dass auch Ben aus Birmingham kam, was uns immer sofort aufhorchen lässt. Wir fragten ihn, ob er nicht für ein paar Tage dabei sein möchte, und dann wurden ein paar Monate daraus. Er brachte diese unglaubliche Energie in die Sessions. Es war eine großartige Zeit.“

„Als Mark uns verlassen musste, um sich um sein eigenes Projekt zu kümmern, war es ein bisschen, als würde uns der Kommandostab verlassen – etwas ungemütlich aber mit dem Gefühl von Freiheit. Wir kamen damit klar und verbrachten so ein halbes bis ein ganzes Jahr. Und dann kam plötzlich Ben Hudson vorbei und er gab der Sache eine völlig neue Wendung. Seine Antwort war unglaublich positiv, so nach dem Motto: ‚Das ist großartig, ihr habt hier die Basis für ein Album‘. Und an diesem Punkt fühlte es sich auch an wie ein zusammenhängendes Album, wo es vorher nur eine Sammlung von Songs war. Was er wirklich wollte, war, die Spontaneität und Frische einzufangen, mit denen wir an die Songs gegangen waren.“

Ben Hudsons Beteiligung signalisierte einen Wendepunkt für die Herangehensweise an das Album, auf dem es mehr Kollaborationen gibt als auf jedem vorangegangenen Album von DURAN DURAN. Mark Ronson kehrte zurück „unter der Bedingung, dass wir auch Nile mit hineinnehmen“, so John mit einem leisen Lachen. „Er hatte vorher noch nicht mit ihm zusammengearbeitet, aber wir natürlich schon. Das wurde eine brillante Erfahrung – wir schauten ihnen zu, wie sich gegenseitig Dinge erklärten, und wir waren die Nutznießer aus dem musikalischen Diskurs, der zwischen ihnen stattfand.“

Chic-Mitbegründer Nile Rodgers, Mr. Hudson und Mark Ronson co-komponierten und produzierten die Songs Pressure Off und Only In Dreams, wobei Rodgers auf der ersten Single Pressure Off auch ein Feature hat. Der Track verweist auf den straffen Funk des DURAN DURAN-Albums Notorious von 1986, das Rodgers seinerzeit mitproduzierte, und enthält eine sensationelle Vocal-Performance von Janelle Monáe sowie einen Refrain, der in seiner scheinbar mühelosen Direktheit durchaus unverfroren daherkommt. „Wenn es nur so wäre“, lacht Nick. „Das war überhaupt nicht mühelos, aber die Idee war, es so klingen zu lassen.“

„Das 1986er Album Notorious war ein Meilenstein für die Band“, so Roger Taylor. „All You Need Is Now reflektierte definitiv unsere frühen Alben, aber der Startpunkt für Paper Gods ist Notorious. Wir haben das Glück, das wir uns von unserem eigenen Back-Katalog inspirieren lassen können – das können nicht viele Bands von sich sagen.“

Zweifellos gehören Face For Today, Butterfly Girl, Danceophobia (in dem Lindsey Lohan als ‚Doctor‘ zu hören ist) und Last Night In The City (das einen Killer-Beitrag von Kiesza enthält) zu den Songs mit den großen und packenden Refrains, und What Are The Chances führt uns Jahre zurück zur schmachtenden Schönheit von Save A Prayer. Doch an anderen Stellen tritt ein Grad an Experimentierfreude zutage, der alle DURAN DURAN-Fans begeistern wird, die die Band wegen ihres Hangs zur Düsternis und zur Schattenwelt lieben, die jenseits der blendenden Glanzlichter des Pop zu finden sind. Zwar besitzt auch You Kill Me With Silence einen voluminös hervorbrechenden Refrain, aber in seinem Kern ist es ein sehr unorthodoxer und harmonisch sehr in die Tiefe greifender Song, der eine desorientierende Schluss-Sequenz hat und den Art-Pop-Anspruch der Band untermauert. Simons Meinung über den Song fasst die Freiheit und die Neugierde zusammen, die noch immer den Ausschlag für DURAN DURAN geben: „Was ich an dem Track besonders liebe, ist, dass er anfängt wie ein Song von Snoop Dogg – man wartet instinktiv darauf, dass gleich ein Rapper einsteigt. Und stattdessen bekommt man Simon Le Bon, der Nancy Sinatra intoniert.“

Der Titeltrack (mit Mr. Hudson’s und Simons Vocals) ist mit seinem polemischen Text ähnlich gewagt und gibt sich kämpferisch und drohend: „Es ist ein Song über unsere Besessenheit von Geld und materiellen Dingen“, so Simon. „Es geht darum, wie sehr wir unser Leben und die Menschlichkeit trivialisieren. Definitiv der wütendste Song auf dem Album. Normalerweise halte ich die Texte eher vage, weil ich es mag, wenn die Leute unsere Songs hören und ihre eigenen Geschichten darum herumbauen. Aber in diesem Fall wollte ich, dass der Ärger eindeutig bleibt: ‚‘The slaver in a sweatshop, putting trainers on your feet.’ Es geht um den Preis, den wir zahlen, den jeder von uns für das zahlt, was aus der Welt geworden ist.“

„Der Song ist absolut einer unserer sonderbarsten Songs seit langer, langer Zeit“, ergänzt Nick. „Er ist eine echte Reise mit einem starken Text – wir geben mit unseren Songs nur selten politische Kommentare ab, aber in diesem Fall musste es so sein. Und ich liebe die Tatsache, dass er so unvorhersehbar ist.“

Genauso unvorhersehbar ist John Fruciantes Gitarrenspiel auf What Are The Chances?, The Universe Alone und Butterfly Girl. Der ehemalige Red Hot Chili Peppers-Gitarrist verpasst den Songs neue und unerwartete Wendungen. „Wir alle sind vollkommen hingerissen von dem, was er mit seiner Gitarre macht. Sein Stil ist absolut einzigartig“, so Simon. „Er ist ein furchtloser und mutiger Musiker, und das ist unglaublich inspirierend.“ Auf Change The Skyline fügt Jonas Bjerre von Mew dem treibenden Keyboard eine ungewöhnliche, fast außerweltliche Gesangsdimension hinzu, und seine Stimme verbindet sich im Chorus wunderbar mit der von Simon.

In diesem Herbst werden DURAN DURAN sich auf Tour begeben, unter anderem mit einem Headline-Set auf dem Bestival in UK. Auf ihre große Welttournee werden sie mit einem der gewagtesten und viszeralsten Alben ihrer Karriere gehen – und sie sind bereit für diese Herausforderung. Fragt man die Band, woher all diese Energie und kreative Inspiration stammt, offenbaren die Antworten bei jedem Bandmitglied einen anderen Blickwinkel aber eine gemeinsame Botschaft. „Das ist eine Grundvoraussetzung, für jeden und auch gemeinsam. Wir haben niemals das Gefühl verloren, dass wir uns beweisen müssen. Natürlich gibt es immer die Versuchung, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen und herunterzufahren. Aber das würde heißen, dass man reif für den Liegestuhl auf dem Sonnendeck ist. Ich jedenfalls laufe immer noch so schnell wie ich kann“, erklärt John. „Es ist das Beste, was wir tun können“, ergänzt Roger. „Wir alle haben unterschiedliche Sachen ausprobiert, aber die Einheit von DURAN DURAN ist beim Musikmachen immer noch die kraftvollste. Ob es regnet oder die Sonne scheint, irgendetwas passiert immer.“

Simon betont die Notwendigkeit von Geduld und Hingabe: „Wir haben uns erlaubt, uns genug Zeit zu nehmen, um Musik zu machen auf die wir stolz sein können.  Man erlebt ja oft, dass sich eine Band wieder zusammenfindet und sechs Monate später ein neues Album raushaut, und man kann nicht anders, als sich zu fragen: ‚Ist das das Beste, was ihr machen konntet?‘ Wir wussten lange, dass dieses Album noch nicht fertig war, dass es noch nicht gut genug war. Wir wollten etwas machen, worauf wir stolz sein können. Ich beurteile die Alben, die wir machen, anhand meiner Lieblingsalben: Patti Smiths Horses, Neil Youngs Harvest, Let It Bleed von den Rolling Stones, Joni Mitchells Blue, Lou Reeds Transformer und Bowies Aladdin Sane. Das alles sind Klassiker. Die einzige Regel für uns ist: Dort muss es reinpassen, es muss Musik sein, mit der du den Rest deines Lebens verbringen kannst.“

Für Nick geht es darum, sich die Naivität und die Unschuld zu bewahren: „Wenn du bei manchen Dinge zu selbstsicher wirst, fängst du an, Platten zu machen, die wie Parodien klingen. Das ist dann auf jeden Fall der Punkt, an dem du aufhören musst. Eines meiner Lieblingszitate von Picasso sagt, dass er sein ganzes Leben brauchte, um wieder wie ein Kind zu malen. Darin steckt eine Wahrheit: Die Reinheit, die du hast, wenn du eine junge Band bist, wenn du Scheuklappen trägst und du absolut an das glaubst, was du machst. Du hinterfragst dich nicht, du machst einfach. Genau diese naive Haltung ist das, was zu einigen der größten Alben der Geschichte führte, etwa die Debüt-Alben von Velvet Underground, den Beatles, den Stones und den Doors. Die besten Alben besitzen diese Reinheit. Ok, du kannst niemals dahin zurückkehren, aber du kannst versuchen zu verstehen, worum es geht, und versuchen, Elemente davon zu nutzen. Und so fühlt sich dieses Album für uns an. Wir setzten uns hin und sagten: ‚Lass uns tabula rasa machen, was machen wir jetzt?“

„Ich weiß, dass alle Künstler das sagen“, wirft Nick ein. „aber tatsächlich und ohne jeden Zweifel glaube ich, dies ist unser bestes Album seit The Wedding Album. In dieser Band zu sein ist, als wäre man mit drei anderen Leuten verheiratet. Wir kümmern uns umeinander, aber wir streiten auch die ganze Zeit, besonders über Musik. Aber das ist essenziell. Wenn man nicht diskutiert und keine überzeugte Meinung hat, dann endet man, indem man Müll produziert. Wir kämpfen um jede Note – buchstäblich. Aber es fühlt sich nie an wie ein Kampf. Es fühlt sich an wie ein Sieg."

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