Hunter Hayes
Es lohnt sich, Hunter Hayes gut zuzuhören wenn er spricht, diese Eine-Million-Kilometer-pro-Stunde-Stimme, voll ungebremster Energie und Leidenschaft. Unlängst veröffentlichte er sein zweites Album, „Storyline“. Aber der 23-Jährige, dessen Kopf immer arbeitet, Ideen aus dem Gehirn in die Hände und an die Stimme weiterreicht, kann nicht anders, als nach vorn zu schauen. „Ich bin auf einer niemals endenden Suche nach dem,...
Es lohnt sich, Hunter Hayes gut zuzuhören wenn er spricht, diese Eine-Million-Kilometer-pro-Stunde-Stimme, voll ungebremster Energie und Leidenschaft. Unlängst veröffentlichte er sein zweites Album, „Storyline“. Aber der 23-Jährige, dessen Kopf immer arbeitet, Ideen aus dem Gehirn in die Hände und an die Stimme weiterreicht, kann nicht anders, als nach vorn zu schauen. „Ich bin auf einer niemals endenden Suche nach dem, was ich liebe und wie ich es leben kann“, sagt Hayes über die endlosen Möglichkeiten für einen musikalischen Suchenden wie ihn. „Wie kann ich die Sounds kreieren, die ich liebe? Wo ist das, dem ich nicht widerstehen kann?“
Das Bemerkenswerte an einem Talent wie Hayes ist: Selbst wenn er einen seltenen Moment des Verschnaufens hat – zum Beispiel von der Anstrengung des Tourens um die Welt, wenn er in Japan und den Philippinen vorbeischaut, wo seine Hit-Single „Invisible“ Platz 1 in den Radio-Charts belegte, durch Singapur rauscht, wo „Storyline“ die Verkaufscharts toppte, oder den Guiness-Buch-Weltrekord bricht für die meisten Konzerte innerhalb von 24 Stunden während eines verrückten US-Unterfangens – ist er doch stets voll konzentriert auf seine Kunst. „Ich müsste eigentlich völlig erschöpft vom Schreiben sein“, gibt er zu. „Aber ich habe locker ein Drittel von dem geschrieben, was mein nächstes Projekt wird – was auch immer es wird. Es ist inzwischen so etwas wie ein täglicher Rhythmus“, erklärt er seine omnipräsente Muse. „Vielleicht hat das nächste Album keine Delays, keinen Hall, keinen großen Drum-Sound und keine sich überlagernden Gitarrensounds? Vielleicht wird es nur ich und eine Telecaster? Vielleicht sortiere ich all meine anderen Gitarren aus, verstecke sie vor mir selbst, so dass ich nicht in Versuchung gerate sie zu benutzen, und ich muss es einfach mit dieser einen Gitarre hinbekommen? Vielleicht ist es das, wonach ich suche?
Wenn Hayes eines gelernt hat, dann das Loslassen. Er ist, so sagt er, „immer noch sehr in sich gekehrt“, aber als die Reisen des Multi-Instrumentalisten – und seine Popularität – seit seinem verblüffend reifen, selbstbetitelten Album 2011 explodierten, das in Kanada Gold-dekoriert ist, war der aus Breaux Bridge, Louisiana stammende Musiker immer auch darauf aus, sich nicht nur künstlerisch, sondern auch menschlich weiterzuentwickeln. Warum im kreativen Geschäft sein, während er selbst – die Person, die die Leute kennen- und lieben lernen wollen – sich am liebsten versteckt?
„Ich bin schüchtern gewesen, still“, sagt der Künstler, dessen „Storyline“-Single „You Think You Know Somebody” die Top 25 in den chinesischen CQ Charts knackte. „Ich habe mich zurückgezogen. Denn zu einem großen Teil entspricht das meinem Wesen. Ich kann über alles sprechen, solange ich mich wohl fühle. Sobald ich in irgendwie nervös bin, werde ich sehr vorsichtig. Das hat mir jedoch mehr geschadet, als dass es mir geholfen hat. Denn je weniger ich rede, desto weniger wissen die Leute, wer ich bin, und desto mehr verstecke ich mich. Ich habe schlicht Angst gehabt, die falschen Dinge zu sagen oder zu tun oder einen falschen Eindruck zu hinterlassen. Aber ich habe realisiert, dass gar keinen Eindruck zu hinterlassen die Sache nur noch verschlimmert. Es ist noch unproduktiver.“
Veränderung fällt Hayes nicht leicht. Er gibt zu, einen starken Kontrolldrang in seinem täglichen Leben zu haben – ob es die Anfertigung eines neuen Albums ist, das Erträumen neuer Melodien oder einfach dass er die Zeit findet, zwischen dem Vinyl- und Mandolinen-Shopping noch ein paar Einkäufe zu erledigen. Derzeit lernt Hayes, mit dem Flow zu gehen.
„Ich musste mich davon verabschieden, ein Mensch mit festen Gewohnheiten zu sein“, erklärt er. „Wir haben dieses Sprichwort in der Band: ‚Do it live’. So leben wir unsere Leben: du machst es live, du findest schon einen Weg. Ich habe meinen Mut als Person bereits hinreichend bewiesen mit der Art, wie ich meine Musik mache und lebe.“
Blickt man auf Hayes, kann man von seinem Erfolg nur beeindruckt sein: Im Alter von sechs Jahren erhielt er seine erste Gitarre von Schauspieler Robert Duvall. Im folgenden Jahr performte er für Bill Clinton. Mit 18 Jahren unterschrieb er bei Atlantic Nashville Records. Nur wenig später tourte er als Opening Act für Taylor Swift oder Carrie Underwood. Es war alles da. Doch Hayes wollte mehr.
„Dude, ich hatte es verdammt gut!“, sagt er über seine Support-Shows für die beiden weiblichen Superstars, und: „Ich sitze nicht hier und denke: Hey, so was passiert doch jeden Tag. Glaub mir, ich bin den Sternen dankbar dafür. Aber es sagt eine Menge über mein Herz aus, wenn ich trotzdem mit der Faust auf den Tisch schlug, weil ich mehr wollte als diese 40 Minuten und die Kulisse. Ich wollte eine richtige Show auf die Beine stellen.“
Hayes’ nimmermüde Einstellung mündete in der letztjährigen, monumentalen „We’re Not Invisible“-Headlining Tour, eine mehrere Länder umfassende Reise, mit der er seine internationale Fanbase erfreute, namentlich die geradezu frenetischen Hayniancs in Kanada, die drei seiner Singles – „Wanted” „I Want Crazy” und „Somebody’s Heartbreak” – zu Platin-Status verhalfen. Noch wichtiger jedoch war, dass er mit dem weltweiten Unterfangen den Traum eines Musikers wahr machte, dessen Vorstellung einer massiven Live-Tour aus dem tiefsten Inneren kam.
„Ich wollte eine Produktion. Ich wollte nicht nur Lichter und einen Videoscreen, um Himmels Willen“, erklärt er, während seine Stimme sich vor Aufregung überschlägt, als er seine Vision einer Live-Show rekapituliert. „Ich wollte mehr als das. Ich wollte, dass meine Fans eine richtige Show erleben. Ich wollte neue Arrangements, ich wollte Überraschungen. Ich wollte Zeug, das einfach jeden überrascht. Ich wollte, dass ein Teil der Show ungeplant ist. Ich wollte Energie. Ich wollte in der Lage sein, über eine Bühne zu rennen, rauf- und runter zu springen. Ich wollte eine Mischung aus Chris Martin, Garth Brooks und Michael Bublé.“
Wenn die Live-Show von Hayes eine wilde, ungebremste, wahr gewordene Vision ist, so ist „Storyline“ der logische Nachfolger. Kunstfertig erarbeitet und doch durchzogen von einem Freigeist, in dem jede Idee es wert ist verfolgt zu werden, zeigen die 14 Tracks Hayes’ Vielseitigkeit und seinen festen Vorsatz, nie bei einem Kurs zu verweilen. Verglichen mit seinem Debütalbum betrachtet Hayes „Storyline“ als „Person, wie sie die Eltern sehen, wenn sie nach einem Jahr College nach Hause kommt“.
„Meine einzige Agenda war, sicherzustellen dass ich mich nicht wiederhole. Dass ich mich nicht mit dem aufhalte, was ich schon einmal gemacht habe“, sagt er. „Ich wollte ein Album, dass vielseitig und anders ist und in dem ein wenig von allem drinsteckt.“
Im Ergebnis ist das Album zu gleichen Teilen beeinflusst von Fleetwood Mac und Nickel Creek. Es gibt das harmoniegetränkte, peitschende „Tattoo“ und das stampfende „Wild Card“, die sich den Platz teilen mit sanfteren Songs wie „Invisible“ und „Still Fallin“. Es sei seine Pflicht, sagt Hayes, sich nicht um Genres oder sonstige Klassifizierungen zu sorgen, sondern immer weiter Musik zu machen, auf die er stolz ist.
„Mein Job ist es, meinen Sound auf der Grundlage dessen zu finden, was mich inspiriert“, sagt er. „Es geht nicht darum, vorsätzlich dieses oder jenes zu machen. Mein Job ist es, meinen eigenen Sound zu finden und meine Liebe für das Songwriting und Storytelling – und sie musikalisch so rüberzubringen, dass es nach mir klingt.“
„Ich möchte einfach, dass die Leute mich kennen“, sagt Hayes, während er tief einatmet und in die Glaskugel seines unberechenbaren Lebens blickt. „Dass sich jemand dafür interessiert was du sagst, ist ein bahnbrechendes Gefühl. Es ist jedes Mal aufs Neue ein lebensveränderndes Erlebnis. Daran gewöhnt man sich nie.“