Ian Hooper
© Marco Fischer
2022 machte Ian Hooper, Frontmann der gefeierten Indie-Folk-Band Mighty Oaks, mit der Single „Here To Stay“ seinen Schritt zum Solokünstler. Er liebt die Musik seiner Band und es steht für ihn außer Frage, dass es mit Mighty Oaks noch lange weitergehen soll. Zehn Jahre nach Beginn seiner Musikkarriere verspürte er jedoch eine zunehmend stärkere Sehnsucht nach einem anderen Sound –...
2022 machte Ian Hooper, Frontmann der gefeierten Indie-Folk-Band Mighty Oaks, mit der Single „Here To Stay“ seinen Schritt zum Solokünstler. Er liebt die Musik seiner Band und es steht für ihn außer Frage, dass es mit Mighty Oaks noch lange weitergehen soll. Zehn Jahre nach Beginn seiner Musikkarriere verspürte er jedoch eine zunehmend stärkere Sehnsucht nach einem anderen Sound – „eine Energie, die positiv und mitreißend ist, die die Leute zum Tanzen und Singen bringt“, wie der in Berlin lebende US-Künstler es formulierte. Es war die Sehnsucht nach einem Sound, der mehr „Pop“ als „Indie-Folk“ ist. Ein Schritt, vor dem Hooper großen Respekt hatte, denn, wie er damals sagte: „Einen richtig guten Popsong zu schreiben, das ist die absolute Königsklasse.“
Gut anderthalb Jahre später lässt sich feststellen: Es ist Ian Hooper nicht nur gelungen, einen richtig guten Popsong zu schreiben, sondern ein richtig gutes Popalbum. Es enthält all das, was man an Ian Hooper so liebt – Kraft und Tiefe im Songwriting, eine Grobkörnigkeit in der Produktion, dazu seine warme, kratzige Stimme –, hat aber ansonsten mit dem Sound, wie man ihn von den Mighty Oaks kennt, nicht mehr viel zu tun. Dieses Album ist voll und ganz „Ian Hooper“, und deshalb heißt es auch so. Zumal Ian es nicht nur geschrieben, sondern zu großen Teilen in Eigenregie eingespielt und produziert hat. Eine „Mammutaufgabe“, wie er in der Rückschau sagt: „Ich produziere nicht seit zehn, zwanzig Jahren Songs, sondern gefühlt erst seit zehn, zwanzig Monaten. Wenn du dann noch wie ich der Typ bist, der alles hinterfragt, dann dauert es einfach.“
Gemessen daran sind die anderthalb Jahre zwischen der Veröffentlichung der ersten Single im Oktober 2022 und dem jetzigen Album fast schon wieder kurz, zumal Hooper in der Zwischenzeit mit „Dry Yours Tears“, „Happy“, „Voodoo“ und zuletzt „Remember“ weitere Vorboten des Albums teilte. Nachdem er diese ersten Songs zusammen mit den Produzenten Tobias Kuhn (u.a. The Kooks, Die Toten Hosen) und Philipp Steinke (u.a. Boy, Bosse) aufgenommen hatte, folgten weitere Songwriting-Sessions mit dem befreundeten kalifornischen Musiker Ed Prosek. Danach fühlte sich Ian gerüstet, allein das Ruder zu übernehmen. Erstmals nach zehn Jahren konnte er komplett tun und lassen, was er wollte – ein unglaubliches Freiheitsgefühl: „Ich konnte mich einfach hinsetzen im Studio und sagen: ‚Okay, worauf habe ich jetzt Bock?‘ Und dann kann ich loslegen.“ Und er legte los: umgeben von einer breiten Range an Werkzeugen – von klassischen Instrumenten wie Klavier, E- und Akustikgitarre, Schlagzeug über analoge Synthesizer wie den Juno 6 und Prophet 10 bis hin zu nerdigen Spielzeugen wie dem Casiotone oder Philicorda –, ließ Ian seinen Ideen freien Lauf.
Sein Ziel: Songs zu produzieren, die einen warmen Sound haben. Die Charakter und Attitüde zeigen. Die zwar Pop sind, aber nicht so glattgebügelt und 08/15 wie ein Radiolied von der Stange. Die Arbeit mit möglichst viel analogem Equipment war daher eine natürliche Wahl für Ian. „Das gibt eine Wärme, aber auch eine Grittyness. Es klingt nicht glatt wie am Rechner gemacht.“ Dort läuft zwar am Ende alles zusammen, aber eben als letzter Arbeitsschritt der Produktion und nicht als erster. „Oft habe ich auch alles auf Band mitgeschnitten und es dann an den Rechner geschickt. Es klingt einfach so krass warm, wenn man auf Band aufnimmt.“
Das Resultat sind Tracks, die eine positive Energie haben, die druckvoll sind, aber trotzdem eine Leichtigkeit verströmen. Tracks wie das großartig unbeschwerte „Appletree“, das einen traditionellen englischen Schulhofreim nimmt („K-I-S-S-I-N-G“) und daraus einen Song macht, der, in Ians Worten, klingt „wie ein Sommer in Frankreich und du bist frisch verliebt“. Oder die erste Single „Here To Stay“, die für Hooper eine ganz besondere Bedeutung einnimmt: „Als ich den fertigen Track zum ersten Mal hörte, fühlte es sich an, als hätte ich den Schlüssel zu einer Tür gefunden, die seit Ewigkeiten verschlossen war“, erinnert er sich. „Here To Stay” ist ein Song über das Verfolgen großer Träume, das Hinfallen und das Aufstehen, Momente großer Zweifel und noch größerer Triumphe, wenn man entgegen aller Wahrscheinlichkeiten am Ende doch noch steht. Die Soundscape ist rauschend, leise Momente steigern sich in euphorisierende Refrains – und die Ausrichtung ist ganz klar Pop. Genau das also, wonach er so lange gesucht hatte.
„I'm here to stay“ – ich bin hier und so schnell bekommt mich hier nichts weg, teilte uns der neugefundene Solokünstler Ian Hooper mit – und ließ weitere Belege folgen. Mit seiner zweiten Single „Dry Your Tears“ unterstrich er sein großes Gespür dafür, Erfahrungen des täglichen Lebens in Songs zu übersetzen, in diesem Fall Gefühle von Angst und Unsicherheit in der Welt von heute. Hooper versteht diese Gefühle, zugleich ist ihm daran gelegen, Hoffnung zu vermitteln. „Ich finde, Musik sollte die Kraft haben, einen mal kurz aus dem Alltag rauszuholen. Oder die Dinge des alltäglichen Lebens positiv aufzuladen.“ Dass die besten Momente des Lebens nicht viel kosten müssen, zeigt die dritte Single „Happy“: „Driving in my car / With the windows down and the music loud“ – jeder, der diese Momente purer Euphorie schon einmal verspürt hat, weiß: da ist verdammt viel dran.
Aber natürlich gibt es auch die trüben Tage. Tage, „an denen man melancholische oder sehr ruhige Lieder hören möchte und die sind auch unfassbar schön und toll.“ Auch diesen Momenten wird das Album gerecht, klanglich mit puren Songs wie „North Star“ oder „I’ll Try“ und textlich, wenn es um Themen wie psychische Manipulation und emotionale Abhängigkeit (in der vierten Single „Voodoo“) oder den Verlust eines geliebten Menschen geht – in Ians Leben ein zentrales Thema, wie jeder weiß, der den unglaublich sympathischen 36-Jährigen seit einer Weile begleitet. Seine Mutter Aileen verstarb 2012 an Krebs, ein einschneidendes Erlebnis, das ihn bis heute begleitet. Seine bewegende Single „Remember“ handelt davon, wie man die positiven Erinnerungen an einen Menschen lebendig hält und wie man selbst aus einer solch tragischen Erfahrung am Ende vielleicht doch noch etwas Gutes mitnehmen kann. Im Fall von Ian Hooper war das nichts Geringeres als die Entscheidung, den Weg des Musikers einzuschlagen.
Denn damals war Ian noch nicht der gefeierte Frontmann von Mighty Oaks, der die deutschen Charts erobert und die größten Bühnen von Lollapalooza bis Rock am Ring bespielt hat. Damals war er ein Lehrer, der davon träumte, ein Musiker zu sein: „I had a light but I kept it inside yeah I hid it”, heißt es dazu in den Zeilen von „Remember”. Erst der Krebstod seiner Mutter führte ihm auf drastische Weise vor Augen: Das Leben kann jederzeit enden. Deshalb fange ich am besten noch heute an, meinen Träumen zu folgen. Es ist eine der großen Leistungen des Albums, dass es genau dieses empowernde Gefühl auch uns mitgibt. Nur gehen müssen wir den Schritt noch selbst.