Komponiert für einen Film von Gerhard Richter und Corinna Belz: "Reich/Richter" wird erstmals veröffentlicht
Mehrere hundert Male wurde „Reich/Richter“ bereits live gegeben, nun hat Nonesuch Records die erstmalige Veröffentlichung einer Aufnahme von Steve Reichs Komposition für den 10. Juni 2022 bekannt gegeben (Vinyl am 5. August), eingespielt vom Ensemble intercontemporain unter dem Dirigat von George Jackson, den man u.a. durch seine Gastspiele an der Hamburgischen Staatsoper kennt. Die Komposition wurde ursprünglich geschrieben, um begleitend zum Film Moving Picture (946-3) aufgeführt zu werden, einer Kollaboration zwischen Gerhard Richter und der Filmemacherin Corinna Belz. Das Album kann ab jetzt vorbestellt werden, unten spricht „America’s greatest living composer” (Village Voice) Steve Reich über das Zustandekommen der Zusammenarbeit mit Gerhard Richter.
In dem Clip geht der Grammy- und Pulitzer-Preisträger unter anderem auf Richters Buch „Patterns“ ein, das als Arbeitsgrundlage für den Film diente: „Den Anfang bildet eines seiner abstrakten Gemälde aus den 90er-Jahren. Er scannte ein Foto davon in einen Computer ein und schnitt dann den Scan in zwei Hälften, teilte diese Hälften erneut und drehte zwei der vier Viertel spiegelbildlich. Dann wiederholte er diesen Prozess des ‚Teilens, Spiegelns, Wiederholens‘ von der Hälfte über das Viertel, das Achtel, das Sechzehntel, das Zweiunddreißigstel bis hin zum 4096stel. Das Ende der Geschichte ist, dass man von einem abstrakten Gemälde zu einer Abfolge immer kleinerer menschenähnlicher ‚Kreaturen‘ kommt (da die Spiegelung eine beidseitige Symmetrie erzeugt) und dann zu immer noch kleineren, sehr feinen Streifen.“
Zur Rolle von Corinna Belz sagt Reich, sie habe den Film „in Form von ‚Pixeln‘ erzählt. Er beginnt mit Zwei-‚pixeligen‘-Streifen und die Musik setzt mit einem oszillierenden Schema aus zwei Sechzehntelnoten ein. Als der Film auf vier ‚Pixel‘ wechselt, schaltet die Musik in eine Abfolge aus vier Sechzehntelnoten, dann acht und sechzehn“, so der Komponist. „Danach begann ich, längere Notenwerte einzuführen – zunächst Achtelnoten, später dann Viertelnoten. In der Mitte des Films, wenn die Bilder von 512 auf 1064 Pixel wechseln, verlangsamt sich die Musik auf punktierte halbe Noten. Und wenn sich zum Ende hin die Anzahl der ‚Pixel‘ immer mehr auflöst, geht die Musik wieder zu schnelleren Achtelnoten über und mündet schließlich in einer sehr intensiven, temporeichen Sechzehntelbewegung.“
„Reich/Richter“ kam zuerst 2019 im The Shed in New York zur Aufführung, wo es über einhundert Mal gegeben wurde. In der Folge wurde die Komposition im Barbican in London vom weltbekannten Ensemble Britten Sinfonia unter der Leitung von Colin Currie aufgeführt und anschließend in der Pariser Philharmonie, wo auch diese Aufnahme entstand. Am 8. September kann man sich auf eine Aufführung von „Reich/Richter“ im Szentrum, Silbersaal im österreichischen Schwaz freuen, gespielt vom österreichischen Ensemble Windkraft Tirol unter der Leitung von Kasper de Roo. Für den 1. April 2023 ist eine Aufführung in Begleitung von Richter und Belz' Film in der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles angesetzt, hier von der LA Phil New Music Group unter der Leitung von Brad Lubman.
Nonesuch kann nicht ohne Stolz sagen, dass es seit 1985 jedes neue Werk von Steve Reich aufgenommen hat, angefangen mit „The Desert Music“ bis hin zu „Pulse/Quartet“ im Jahr 2018. Ein Gutteil der insgesamt 22 Alben ist auch als Teil der beiden Boxsets „Phases“ (2006) und „Works: 1965-1995“ (1997) erhältlich, 2023 wird das Label seine gesammelten Werke veröffentlichen.
Just im vergangenen Monat veröffentlicht Reich außerdem ein Buch, „Conversations“, das Gespräche mit bisherigen Kreativpartner:innen, Komponist:innen, Musiker:innen und bildenden Künstler:innen enthält, die von seiner Arbeit beeinflusst wurden, darunter David Lang, Brian Eno, Richard Serra, Michael Gordon, Michael Tilson Thomas, Russell Hartenberger, Robert Hurwitz, Stephen Sondheim, Jonny Greenwood, David Harrington, Elizabeth Lim-Dutton, David Robertson, Micaela Haslam, Anne Teresa de Keersmaeker, Julia Wolfe, Nico Muhly, Beryl Korot, Colin Currie und Brad Lubman.