TEMMIS lassen uns über ihre "Klinge" springen
Grauzone, Fehlfarben, Joy Division, Interpol und The 1975 treffen auf Electroclash-Anleihen: TEMMIS aus Tübingen machen spannende Sounds.
In Tübingen ist nicht viel los. Motivierende Langweile. Fachwerk-Studenten-Disneyland. Aber auch: TEMMIS. Die Band macht die Wave-Sounds mit deutschen Texten und Melancholie. Das klingt richtig gut, wie ihre heute erscheinende EP "Klinge" zeigt.
Auch wenn es für manche aus der Zeit gefallen zu sein scheint, TEMMIS sind eine Band mit dynamischem Sound und abgestimmtem Zusammenspiel: „Früher musste man halt eine Band gründen. Heute geht das auch anders, alleine, mit Ableton und programmierten Sounds. Wir wollen zeigen, dass Bandsound genauso zeitgeistig sein kann, wie alles andere auch.“
Dazu passend wurde „Klinge“ von Max Rieger produziert, dem Sänger und Texter des Noiserocktrios Die Nerven. Der arbeitet – wenn er nicht selbst auf der Bühne steht – mit Künstler*innen wie Casper, Mia Morgan und Drangsal. Und das passt ausgezeichnet zum energiegeladenen und wuchtigen Sound der Band. Aufgenommen wurden die Songs in zwei Sessions im Funkhaus in Berlin, im Sommer 2022.
„Ich bin viel im Internet und versuche alles mitzubekommen, ich tauche in Löcher ab, versuche Sprech- und Denkweisen zu lernen, mit denen ich noch nie etwas zu tun hatte.“ In Notizbüchern zusammengeschriebene Gesprächsfetzen, Bücher von Coelho und Hölderlin, die Einflüsse in den Texten von Sänger Roman Paetin sind vielfältig. Der Titeltrack ist ein düsteres Stück Musik, verbindet industrialisiertes Nine-Inch-Nails-Sounddesign mit romantischen Lyrics. Dazu drehte Amine Sabeur ein Musikvideo in Wien, die 90er Thriller „Fallen Angels“ und „Doom Generation“ waren die Refrenzen, die die Band ihm mit auf den Weg gab. „ICE 579“ entstand in der Toilette des titelgebenden Fernzuges zwischen Hamburg und Stuttgart, Ausgangspunkt war eine Melodie, die Roman in sein IPhone summte. TEMMIS liefern den Soundtrack fürs Coming of Age der Generation Z. „Augenringe“ leiht sich das Spraydosensprühgeräusch bei Joy Division und verbindet gekonnt experimentelle Percussion zum bisher poppigsten Song der Band. „Verloren wie ich (Pt. 1)“ beschließt die EP mit Shoegaze-Sounds.
Warum eigentlich TEMMIS? Der Bandname reiht sich ein in die Historie – vornehmlich amerikanischer Midwest-Emobands – wie Modern Baseball, American Football und Canadian Softball. „Ich war betrunken und habe TeMMis auf ein Blatt Papier geschrieben. Und uns war sofort klar, dass das der schlechteste Bandname der Welt ist.“ Kurze Stille. „Und wir so heißen müssen.“ Inzwischen leben TEMMIS in Hamburg. Auch das macht Sinn: Die Stadt steht für Bands. Für Bands, die eine Szene und, so zeigt es die Geschichte, den Sound einer Generation begründen können. Und am Ende in Berlin landen. Aber nun erscheint erst einmal ihre neue EP "Klinge“.