Nile Rodgers
Selbst in retro-seligen Zeiten wie diesen ist es nicht vielen Größen ihres Fachs vergönnt, nochmal so richtig (also ohne allzuviel Nostalgie im Spiel) hip zu werden. Doch wer ist dieser Mann mit dem Afrohelm, der da im Video zum aktuellen Daft Punk-Monsterhit „Get Lucky“ an der Seite von Pharell Williams diese minimalistischen Riffs aus dem scheinbar ewig lockeren Handgelenk schüttelt?...
Selbst in retro-seligen Zeiten wie diesen ist es nicht vielen Größen ihres Fachs vergönnt, nochmal so richtig (also ohne allzuviel Nostalgie im Spiel) hip zu werden. Doch wer ist dieser Mann mit dem Afrohelm, der da im Video zum aktuellen Daft Punk-Monsterhit „Get Lucky“ an der Seite von Pharell Williams diese minimalistischen Riffs aus dem scheinbar ewig lockeren Handgelenk schüttelt? Was für ein Glück! Denn das ist „nicht irgendein Gniedelgroove-Sklave, sondern Nile Rodgers himself“, wie gerade auch die Süddeutsche Zeitung dankbar erkannte. Während das französische Duo mit seiner Hilfe nicht nur seine best-, sondern auch die bisher schnellstverkaufte Single des Jahres überhaupt hinlegt, kann man sich jetzt noch einmal komprimiert vor Ohren führen, wie gut die vom jetzt 60-jährigen Rodgers einst als Chic-Gitarrist miterfundene Popmusik in die Jahre gekommen ist. „The Chic Organization Boxset, Vol. 1 – Savoir Faire“ lässt auf vier klug kompilierten CD’s keine Wünsche offen – mit allen Hits, auch mal neu abgemischten Klassikern, mancher Rarität und bisher unveröffentlichtem Archiv-Material nicht nur von Chic selbst.
Rodgers, der seine Karriere in der Hausband des legendären Apollo Theatre in Harlem gestartet hatte, und der leider schon 1996 nach einem Konzert in Tokyo plötzlich verstorbene Bassist Bernard Edwards hoben ihre Chic Organization Ltd. 1976 in New York aus der Taufe. Schnell avancierte sie zum wesentlichen Takt- und Impulsgeber einer von Disco-Grooves und Fusion-Akkorden inspirierten Popmusik, nachdem frühe Hits wie „Everybody Dance“ und „Le Freak“ ihren Stil gleich erfolgreich definiert hatten. Heute gehört es zur Pop-Allgemeinbildung, dass Edwards‘ Bass Line aus Chic’s „Good Times“ der Sugar Hill Gang die Hip Hop-Initialzündung „Rapper’s Delight“ ermöglichte und auch schwer Pate stand für Queen und „Another One Bites The Dust“. Nach der vorläufigen Chic-Auflösung setzte Nile Rodgers als einer der gefragtesten Produzenten der 80er-Jahre weiter gewichtige Akzente, u.a. für David Bowie („Let’s Dance“) und eine gewisse Madonna („Like A Virgin“). Am Schlagzeug saß unverkennbar jeweils Chic-Drummer Tony Thompson, der dann leider auch nicht mal 49 Lebensjahre vollenden durfte, nachdem ihn ein Krebs erwischt hatte.
Während er längst auch mit einer Neuausgabe von Chic (und Gastauftritten Marke Daft Punk) den guten Groove in die nächste Generation trägt, ließ es sich Nile Rodgers nicht nehmen, erhellende Linernotes für dieses Box-Set zu schreiben. Das erfasst den ganzen Chic-Kosmos. Natürlich sind da alle Hits der Band selbst am Start und dazu ein paar bisher unveröffentlichte Outtakes („Funny Bone“, „What About Me“) und Fundstücke („Just Call Me“). Aber nicht minder unwiderstehlich und erstaunlich zeitlos sind gerade auch die Produktionen geblieben, die Rodgers & Edwards immer wieder für andere Künstler auf den Weg gebracht haben. Für Sister Sledge („We Are Family“) und Diana Ross („Upside Down“), für Norma Jean (“Saturday”) und Sheila & B. Devotion (“Spacer”), auch für Blondie’s Debbie Harry (“Backfired“) und sogar für Crooner Johnny Mathis, der hier mit gleich drei bisher unveröffentlichten Songs aus einem damals leider in die Plattenfirmen-Ablage gewanderten Album vertreten ist. Dazu darf sich DJ Dimitri From Paris an fünf Neu-Mixen versuchen, darunter auch Updates von Chic’s „I Want Your Love“ und des grandiosen Sister Sledge-Überfliegers „Lost In Music“.
Sich in dieser oft euphorisch gepolten Musik zu verlieren, einfach so, das ist heute immer noch ziemlich einfach. Auch ohne Afro-Helm. Wie war noch gleich der Untertitel dieser Box? Genau: „Savoir Faire“. Nile Rodgers, Bernard Edwards und Co - die wussten halt wirklich wie’s geht.