Adia Victoria
Adia Victoria ist ein Kind der Südstaaten, geboren und aufgewachsen in South Carolina und heute in Nashville, Tennessee beheimatet. Es dürfte daher kaum überraschen, dass die Geschichten der Südstaaten auch Eingang in ihre Musik finden, sei es in ihre Lyrics oder in ihre Akkorde. Bereits ihre ersten beiden Alben "Beyond the Bloodhounds" (2016) und "Silences" (2019) boten in dieser Hinsicht...
Adia Victoria ist ein Kind der Südstaaten, geboren und aufgewachsen in South Carolina und heute in Nashville, Tennessee beheimatet. Es dürfte daher kaum überraschen, dass die Geschichten der Südstaaten auch Eingang in ihre Musik finden, sei es in ihre Lyrics oder in ihre Akkorde. Bereits ihre ersten beiden Alben "Beyond the Bloodhounds" (2016) und "Silences" (2019) boten in dieser Hinsicht reichlich Anschauungsmaterial und auch ihr kommendes Werk "A Southern Gothic" schlägt in diese Kerbe. Doch etwas ist dieses Mal anders: Es sind nicht nur Victorias Geschichten.
"Ich habe das Gefühl, dies ist die erste Platte, bei der ich genug Abstand zu mir selbst (oder dem, was ich dafür hielt) gewinnen und stattdessen Geschichten erzählen konnte, die nicht notwendigerweise meine eigenen sind", sagt sie dazu. "Da meine unmittelbaren Möglichkeiten [aufgrund der Pandemie] so begrenzt waren, beflügelte es meine Vorstellungskraft, mich in andere Menschen, andere Charaktere hineinzuversetzen, andere Vorstellungen und Erfahrungen, die ihre Wurzeln im Süden haben - diese Gegend, die uns prägt, innerlich wie äußerlich.
Seine Spannung bezieht das Album auch aus unterschiedlichsten Formen der klanglichen Gegenüberstellung. Es ist zu gleichen Teilen historische Montage und moderne Prophezeiung, Dunkelheit und Licht, Liebe und Hass. Die 14 Tracks sind die musikalische Verkörperung der Beziehung, die so viele Menschen - insbesondere schwarze Frauen - zum Süden haben. Dazu gehört auch eine den Südstaaten eigene Schwere, die nicht selten erdrückend wirkt und ihren Niederschlag in Victorias Lyrics findet. Sie wird aufgefangen von Rhythmen und Melodien, in denen sich das Beste vereint, was diese Region zu bieten hat.
"Du hast einerseits diese entspannte Musik, diesen Vibe", erklärt sie, "ebenso jedoch wollte ich das schwer zu greifende Gefühl des Südens einfangen. Ich wollte, dass man seine Luftfeuchtigkeit spürt, die Hitze, wie wir in die Tiefen der Hölle und in die Höhen des Himmels vorstoßen. Ich wollte, dass dieses Album die Extreme des Südens in sich trägt."
Die Extreme finden sich auf "A Southern Gothic" fraglos wieder, ebenso wie die Klänge der Südstaaten. Alte Field Recordings von Alan Lomax etwa, die sich Adia während des Schreibprozesses anhörte, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die schwarze Bevölkerung Musik aus und mit dem Land machte. Die Klänge wurden der Herzschlag - oder das Fundament - ihrer neuen Musik, indem sie gemeinsam mit ihrem Kreativpartner Mason Hickman weitere Klangschichten darüberlegte. Tatsächlich ist die Zusammenarbeit mit Hickman in Songwriting und Produktion für das Projekt so prägend wie die Geschichten selbst, die Victoria über den Verlauf des Albums erzählt.
Die Aufnahmen für "A Southern Gothic" begannen 2019/Anfang 2020 weit entfernt von den amerikanischen Südstaaten - in Paris. Die Entfernung von daheim half Victoria dabei, ein Gefühlt der Klarheit über ihre Heimat zu gewinnen, das sie nicht verspürt hatte, als sie aus ihrer Heimat schrieb. Der erste aufgenommene Song war "My Oh My", ein eindringlicher Gitarren-Track, der die Geschichte einer Frau erzählt, die nach dem Tod ihrer Schwester alles daransetzt, die Erinnerung an sie lebendig zu halten. Die zeitliche und räumliche Entfernung von den Südstaaten half Victoria entscheidend dabei, die übergreifenden Themen des Albums zu entwickeln - und ihr den ersten Schub zu geben, um auch im weiteren Verlauf der Quarantäne kreativ zu sein.
"Ich würde sagen, die Philosophie hinter diesem Album ist: ‚Not macht erfinderisch'", sagt sie. "Wenn du nicht aus dem Vollen schöpfen kannst, wenn all das wegfällt, was bleibt dir anderes übrig? Welche Kunst kannst du daraus entstehen lassen, durch den Garten deiner Mutter zu spazieren?"
Musiker, Produzenten, ein Studio - durch die Pandemie war Victoria und Hickman der Zugang zu all diesen Dingen versagt. Die beiden wurden notgedrungen zu einer Art Zweimannband, und während sie versuchten, sich nicht von der Pandemie um die Ecke bringen zu lassen, entwickelte sich über Victorias Sammlung von Südstaatengeschichten eine besondere Bande zwischen ihnen. Hackman brachte sich selbst Mandoline und Banjo bei, Victoria spielte die Schlagzeug- und Klavierparts ein. Und sogar als die Welt langsam wieder zur Normalität zurückkehrte, Impfstoffe verfügbar wurden und Victoria mit T Bone Burnett ins Studio gehen konnte, waren es jene Aufnahmen, die Victoria und Hickman auf eigene Faust gemacht hatten, die Bestand hatten.
"Ich wollte, dass dieses Album ein Zeitstempel meines Jahres 2020 ist", sagt Victoria dazu. "Ich wollte dem Tribut zollen und die uns zur Verfügung stehenden Arbeitsmaterialien waren ein Teil dessen. Ich hatte nicht das Bedürfnis, es nachträglich zu ändern und aufzuhübschen. Es war ehrlich und wahrhaftig."
Das Resultat ist ein Projekt, das einerseits erfrischend und innovativ ist und sich andererseits perfekt in Victorias bisherigen Katalog und das reiche Erbe des Black Southern Storytelling einfügt. Um es in den Worten T Bone Burnetts zu sagen: "Adia Victoria spannt den Bogen zwischen Memphis Minnie und Sojourner Truth."
Victoria fügt hinzu: "Bei diesem Projekt war ich so sehr in der Vergangenheit verankert, in all der schwarzen Brillanz, die vor mir kam, dass ich dadurch automatisch eine Art Landkarte hatte, der ich nur folgen musste. So als hätten sie zu mir gesagt: "Schätzchen, wir werden dich lokalisieren und wir werden es dir ermöglichen, die nächsten Schritte zu gehen."