Anderson East
Es gibt Musiker, die sich selbst als Straßenkämpfer bezeichnen – und es gibt Anderson East, ein unbeirrbares, einzigartiges Talent, bewaffnet mit einer mächtigen und rauchigen Stimme. Mit seinen körnigen, von Blues und Soul geprägten Songs ist der Sänger in den vergangenen zwei Jahren unermüdlich durch die Lande gereist, seit er mit seinem Debütalbum „Delilah“ (2015) den Durchbruch feierte. Es...
Es gibt Musiker, die sich selbst als Straßenkämpfer bezeichnen – und es gibt Anderson East, ein unbeirrbares, einzigartiges Talent, bewaffnet mit einer mächtigen und rauchigen Stimme. Mit seinen körnigen, von Blues und Soul geprägten Songs ist der Sänger in den vergangenen zwei Jahren unermüdlich durch die Lande gereist, seit er mit seinem Debütalbum „Delilah“ (2015) den Durchbruch feierte. Es dürfte daher kaum verwundern, dass die nun vorliegenden neuen Songs von einer ebenso innigen wie ungeheuren Direktheit sind. „Wir wollten jeden Song als wahrhaftige Performance präsentieren“, sagt der Musiker zu den 11 großartigen und abwechslungsreichen Tracks, die zusammen Encore bilden, das kommende Album des Musikers aus Alabama, das am 12. Januar erscheint.
Der Albumtitel ist abgeleitet von Easts fester Überzeugung, dass jeder Song auf seinem Album das Zeug dazu haben muss, eine seiner berühmt-berüchtigten Live-Shows abzuschließen. „Es ging sehr stark darum, sich wie in einer befreiten Live-Situation zu fühlen“, sagt East über das Schreiben und Aufnehmen von Encore sowie das Genre-verwischende Material, in dem der erkundungsfreudige Sänger seiner Liebe zu Country-Blues („King For A Day”), Soul („Surrender”), Pop („All On My Mind”) und himmlischer Balladenkunst („Cabinet Door”) gleichermaßen nachgeht. Mit seinem langjährigen Produzenten Dave Cobb über den Verlauf des vergangenen Jahres in Nashvilles historischem RCA Studio A aufgenommen, unterstreicht die LP Easts Status als einen der spannendsten jungen Künstler in der heutigen Musiklandschaft. Der Sänger und Songwriter findet für das Gefühl von Errungenschaft, das Encore umgibt, folgende Worte: „Du weißt einfach, wenn es sich richtig anfühlt.“
Für die Arbeit an seinem neuen Album war er einerseits auf der Suche für Inspiration von außen, andererseits schöpfte er aus seinem eigenen Erfahrungsschatz. „Ich denke, das liegt einfach in der Natur der Sache, wenn man Geschichten erzählen will“, sagt der nachdenkliche, wohlartikulierte Sänger über seine Entscheidung, auf dem Album mit einer Reihe weltbekannter Künstler und Songwriter zusammenzuarbeiten, darunter Chris und Morgane Stapleton („King For A Day”), Ed Sheeran („All On My Mind”), Avicii („Girlfriend”) und Natalie Hemby („This Too Shall Last”, bei dem zudem Ryan Adams an der E-Gitarre mitwirkt). „Man will mit Leuten herumhängen, die starke Geschichten zu erzählen haben“, fügt er hinzu. „Besonders, wenn sie ihr Handwerk so großartig beherrschen.“
Nachdem er den größten Teil des vergangenen Jahres zusammen mit den Stapletons für die „All-American Road Show“ getourt war, wurde eine Kollaboration mit ihnen praktisch unausweichlich. East erinnert sich, wie Chris und Morgane ihn eines Abends nach einer Show in ihre Garderobe einberiefen und die drei sich daranmachten, binnen kürzester Zeit „King For A Day“ rauszuhauen. „Als ich bei ihnen eintraf, hatte er die ersten paar Zeilen bereits geschrieben“, sagt East über den erhabenen und wehmütigen Song. „Es war Mitternacht, wir setzten uns hin und vielleicht 20 Minuten später war der Song fertig“. Er fügt mit einem Lachen hinzu: „Wir alle konnten pünktlich wieder unserer Wege ziehen.“ East merkt zudem an, dass es dieser Song im Speziellen war, der ihn darin bestärkte, mit seinem neuen Projekt auf dem richtigen Weg zu sein. „Okay, jetzt haben wir etwas wirklich Gutes“, habe er in diesem Moment bei sich gedacht, wie er sich erinnert. „Nun, da wir dieses Ding wie aus dem Nichts herbeigezaubert haben, kann ich ein wenig tiefer atmen.“
Zurück im Studio, war es für East essenziell, einen vertrauten Kreativpartner wie Cobb an seiner Seite zu haben. Rund 50 Songs hatte der Sänger für Encore geschrieben, schätzt er – die meisten davon befanden sich allerdings in einem Anfangsstadium kurzer Snippets oder Sprachnotizen auf seinem Telefon. Als Musiker, der grundsätzlich keine Demos von Songs aufnimmt, half es East, sich auf ein geübtes Ohr wie das von Cobb verlassen zu können, der ihm schnell in der Beurteilung helfen konnte, ob er diesen Song behalten oder jenen vernachlässigen sollte. East beschreibt Cobb als „absolut unverzichtbar“ und seinen Quasi-Bandkollegen im Studio. „Wir haben einfach eine Ebene des Vertrauens und Wohlfühlens miteinander“, sagt er über den Grammy-ausgezeichneten Produzenten. „Im Grunde wollen wir das Beste füreinander und wir wollen das Beste für den Song. Wir können mit den Köpfen zusammenstoßen und ärgerlich aufeinander sein, am Ende haben wir jedoch wirklich hart daran gearbeitet und erreichen einen Punkt, an dem es sich wirklich gut anfühlt.“
Falls es irgendeine Form des Drucks gab, dem Erfolg von Delilah gerecht zu werden, so war er komplett hausgemacht, wie East sagt. „Es gab einfach einen großen inneren Druck, mich selbst zufriedenzustellen und zu beeindrucken – weit mehr, als dass ich andere Leute beeindrucken wollte“, erklärt er. „Ich wusste um meine Entwicklung als Performer und unsere Stärken als Liveband. Ich wollte etwas machen, das wahren musikalischen Wert besitzt, das Substanz hat. Etwas, bei dem wir voll dahinterstehen und das zugleich Raum lässt, um es vor einem Publikum zu erforschen.“
Dazu wird Anderson East in der nächsten Zeil reichlich Gelegenheit haben: Kommendes Jahr begibt er sich auf seine bislang größte Headliner-Tour, die „Encore World Tour 2018“, die ihn im Januar auch für Konzerte nach Deutschland führt. „Ich fühle mich heute auf der Bühne definitiv sehr viel wohler in meiner Haut“, sagt er über seine Entwicklung als Live-Performer. „Und ich habe definitiv das Gefühl, dass ich ein wesentlich stärkerer Sänger bin, als ich es noch zu Zeiten der Aufnahmen von Delilah war.“
Bei all dem ist East immer noch ein unglaublich bescheidener Typ. So sehr, dass er trotz der Erfolge der jüngsten Jahre sagt, er sei niemals dankbarer gewesen, wohin seine Reise ihn geführt hat. „Ich habe ewig lang Musik gemacht, ohne dass es irgendjemanden interessiert hätte“, sagt er lachend. „Es lässt dich einfach demütig sein. Dass wir bis an diesen Punkt gekommen sind, ist pretty sweet.“