chloe moriondo
Das Seelenleben von Chloe Moriondo ist auf fantastische Weise verschroben und verworren. Auf ihrem zweiten Album "Blood Bunny" lädt uns die Singer-Songwriterin ein, ausgiebig daran teilzuhaben. Die 18-jährige Künstlerin geht mit großer Genauigkeit und eigenwilligem Humor zu Werke, während sie sich von hoffnungslosen Schwärmereien über blutige Rachefantasien bis hin zu reihenweise ausgeklügelten Gedankengängen vorarbeitet, die ihr endlos durch den Kopf...
Das Seelenleben von Chloe Moriondo ist auf fantastische Weise verschroben und verworren. Auf ihrem zweiten Album "Blood Bunny" lädt uns die Singer-Songwriterin ein, ausgiebig daran teilzuhaben. Die 18-jährige Künstlerin geht mit großer Genauigkeit und eigenwilligem Humor zu Werke, während sie sich von hoffnungslosen Schwärmereien über blutige Rachefantasien bis hin zu reihenweise ausgeklügelten Gedankengängen vorarbeitet, die ihr endlos durch den Kopf gehen (etwa ob sie sich den Kopf rasieren soll oder nicht, die Langweile in der Vorstadt, ihre grenzenlose Liebe zu Paramore und Girlpool, die irrsinnig große Flügelspannweite von Mantarochen). Durch dieses ungebremste Teilen ihrer Obsessionen, Frustrationen und tiefsten Ängste erschafft Moriondo ein Werk, das beißend ehrlich und zugleich zärtlich ist, eine liebevoll überbrachte Gabe für all die anderen Weirdos auf der Welt.
Chloes Debütveröffentlichung für Fueled By Ramen/Public Consumption Recording Co. vereint Moriondos Ergüsse in einer wunderschön komponierten Collage aus Bedroom-Pop, Skate-Punk und Indie-Rock. An der Ausarbeitung der lebhaften Sounds werkelte Moriondo mit Produzenten und Co-Songwritern wie David Pramik (Oliver Tree, Selena Gomez), Keith Varon (Machine Gun Kelly, Zara Larsson) und Jake Aron (Snail Mail, Yumi Zouma), wobei die meisten Kollaborationen remote in den Wehen der Quarantäne stattfanden. Und trotz einer Abkehr von der Lo-Fi Ästhetik des 2018 veröffentlichten Debütalbums "Rabbit Hearted" - das sie im DIY-Stil komplett selbst produzierte, getragen von ihrer unprätentiösen Stimme und anmutigem Ukulele-Spiel - gelingt es "Blood Bunny", die unpolierte Intimität ihres Songwritings noch einmal zu intensivieren.
"Ich habe auf diesem Album ehrlicher geschrieben als jemals zuvor", bestätigt Moriondo, die bereits als kleines Kind in Michigan mit dem Schreiben von Songs begann. "Ich denke, es hat damit zu tun, dass ich generell ehrlicher zu mir selbst geworden bin, besonders seit ich die Highschool abgeschlossen und herausgefunden habe, was mir wirklich wichtig ist. Und was ich in meiner Musik ausdrücken möchte."
Als erfreuliches Resultat dieser neugewonnenen Klarheit leuchtet "Blood Bunny" die Landschaften von Moriondos ultralebendiger Vorstellungskraft noch heller aus. Die trügerisch luftige Lead-Single "I Eat Boys" etwa verbeugt sich auf brillante Weise vor dem queeren Kultfilm "Jennifer's Body", indem sie einen Fall von Straßenbelästigung in eine kannibalistische Fantasie verwandelt ("I'll eat you whole/Pull out your teeth and take your soul/Stir some blood into the punch bowl"). "Ich habe diesen Song geschrieben, um meinem Hass auf jenen Anteil der männlichen Bevölkerung Luft zu machen, der fürchterlich ist", bemerkt Moriondo dazu. Der erste Song des Albums, "Rly Dont Care", ist ein ähnlicher Ausbruch von Angst, der sich als unglaublich kathartische Hymne für all jene erweist, denen jemals ungebetene Kommentare oder Ratschläge aufgedrückt wurden. "Es gibt eine Menge Leute, im Internet wie in der echten Welt, die das Bedürfnis haben, mir ihre Meinung über Dinge mitzuteilen, die eigentlich nicht von Belang sind, meine Haare oder Piercings oder Tattoos beispielsweise", sagt Moriondo. "Meistens ist mein spontaner Reflex, dass ich ihnen einfach nur antworten möchte: "Das ist mir piepegal". Stattdessen habe ich einen Song geschrieben, der hoffentlich andere Menschen dazu ermutigt, zu tun, was immer sie tun wollen."
Neben seinen explosiven Anteilen hat "Blood Bunny" auch Momente, in denen Moriondo ihre emotionalen Erfahrungen mit einer feinen Balance aus verträumter Sensibilität und schmerzhafter Selbstwahrnehmung dokumentiert. "I Want To Be With You" etwa, das von einem lebhaften Wechselspiel zwischen zurückgenommenen Strophen und einem strahlenden Refrain lebt, beginnt mit schüchterner Befangenheit ("Swimming in my T-shirts, no matter the weather"), um sich in der Folge zu einem liebenswert poetischen Ausdruck von Zuneigung zu entwickeln ("You shut my mouth/And you buckle my knees"). In "Bodybag" sinniert Moriondo über ein seltsames Phänomen, das sie als "das Gefühl, wenn du dich zu jemandem hingezogen fühlst, diese Person aber auch irgendwie hasst" bezeichnet, und verpackt dieses aufgewühlte Gefühl in ihre charmant ungelenken Lyrics ("Wanna kiss you on your cheeks/But I also wanna punch your teeth"). Und in "Slacker" driftet "Blood Bunny" in eine melancholische Stimmung ab, indem sie ihre schwermütige Innenschau über einen Hintergrund von verschwommenen Texturen und trägen Beats legt. "'Slacker' handelt von dem Gefühl, gerade etwas verbockt zu haben, das so gut hätte werden können, wenn du nur das Richte getan hättest", so Moriondo. "Ich schrieb es, als ich gerade eine schräge Zeit durchmachte und es half mir, mich besser mit allem zu fühlen. Daher singe ich den Song nun umso lieber."
Auf dem letzten Song des Albums, das wunderschön langsam wachsende "What If It Doesn't End Well", präsentiert Moriondo ein weiteres Stück, das aus ihren Versuchen der Selbstbeschwichtigung entstanden ist. "Die einzige wirkliche Angst, die ich im Leben jemals hatte, ist es, Menschen zu verlieren, die ich liebe", sagt sie. "Dieser Song entstand, nachdem ich über meine Ängste in Bezug auf die Welt, meine Beziehungen, meine Freundschaften und meine Familie schrieb. Es war der Versuch, etwas Trost zu finden, und es hat ziemlich gut funktioniert." Getragen von Moriondos kraftvollem Gesang, ist "What If It Doesn't End Well" ein bewegendes Epos, das "Blood Bunny" mit der ultimativen Preisfrage abschließt: "When the world is over and we go under/Would you still be mine?"
Die Gesangsaufnahmen zu "What If It Doesn't End Well" entstanden ebenso wie diverse weitere Songs des Albums, während Moriondo im Auto auf dem Parkplatz einer nahegelegenen Kirche saß, die sie als Kind regelmäßig besuchte. Aufgewachsen in einem Vorort von Detroit, ist sie praktisch bereits ihr Leben lang von Musik besessen und begann schon als kleines Mädchen zu singen, mit 12 erlernte sie Gitarre und Ukulele. "Ich war schon immer von Musik umgeben, daher hatte ich nie wirklich das Gefühl, für meine Lebensplanung eine andere Option als diese zu haben", sagt Moriondo, die von ihren Eltern mit Bands wie Metallica und den Misfits, Green Day und Queen großgezogen wurde. Im Alter von 13 Jahren begann sie damit, Coversongs bei YouTube und SoundCloud zu posten. Mit einem Song von Rex Orange County, den sie spontan nach einem Chorauftritt aufnahm, erlangte sie erstmals größere Aufmerksamkeit. Als ihre Fangemeinde immer mehr anwuchs, begann Moriondo, auch eigenes Material zu veröffentlichen, angefangen mit dem auf sanfte Weise herzzerreißenden "Waves" (ein Song, den sie geschrieben hatte, während sie mit ihrer Familie und ihrer besten Freundin in Puerto Rico im Urlaub war). Ihr erstes Album "Rabbit Hearted" - mit "Waves" als Eröffnungstrack - erschien zwei Monate vor ihrem 16. Geburtstag. Es folgten Meilensteine wie eine Tournee durch die USA und Europa mit Cavetown und der Vertrag mit Fueled By Ramen im Jahr 2019. Auch die Presse ist längst auf sie aufmerksam geworden, so nahm sie NME in seine "Essential Emerging Artists for 2021"-Liste auf (und rühmte sie als "YouTuberin, die zur Bedroom-Pop-Revolutionärin wurde") und die New York Times lobte "I Want To Be With You" als "scharf beobachteten Bedroom-Pop... serviert mit einer Prise von Arena-Emo-Triumph").
Bei der Entstehung von "Blood Bunny" ging Moriondo bei ihrem Songwriting mit einem größeren Selbstbewusstsein zu Werke, das sie so in der Vergangenheit noch nie verspürt hatte. "Ich bin besser darin geworden, meine Songideen rechtzeitig zu Papier zu bringen, bevor ich mich selbst stoppe und mir sage: ‚Nein, das klingt blöd, vergiss es'", verrät sie. "Jetzt mache ich einfach weiter und schreibe es. Filtern kann ich es später immer noch. Sie nennt "Manta Rays" als Beispiel, einen sanft hypnotisierenden Track, der durch sein Stream-of-Consciousness-Geständnis noch hypnotisierender wirkt ("My therapist will tell me that it's best to let it be/But I wanna light fires, I wanna explode/I want to be everything you want to know"). "Ich war höllisch nervös, den Song jemandem zu zeigen, aber am Ende habe ich es trotzdem getan. Ich liebe, wie er geworden ist", sagt sie. "Es gibt so viele Dinge auf dem Album, von denen ich nie dachte, dass ich dazu in der Lage wäre. Jetzt will ich einfach weiter experimentieren und kollaborieren und schauen, was mir noch so einfällt."
Indem sie ihre Selbstzweifel überwand und sich in ihrer Musik mehr (zu-)traute, hat Moriondo letztlich ihre Absichten als Künstlerin doppelt unterstrichen. "Ich war schon immer ein wenig seltsam, ein wenig morbide und ein wenig zu leicht erregbar, und ich denke, das überträgt sich definitiv auf meine Songs", sagt sie. "Ich hatte beim Schreiben seit jeher das Bedürfnis, so viel wie möglich von mir preiszugeben, damit Menschen, denen es ähnlich geht, darin eine Art von Trost finden können. Ich hoffe, wenn die Leute dieses Album hören, wird es für sie erquickend sein und ihnen helfen, sich selbst besser zu fühlen und sich vielleicht nicht mehr so sehr darum zu scheren, was andere Leute denken. Ich hoffe, es bestärkt sie in dem Wissen, dass es eigentlich eine ziemlich gute Sache ist, seltsam zu sein."